LG Frankfurt, 2-13 S 78/19, Urteil vom 4.6.2020
WEG-Recht Fensteraustausch als ordnungsgemäße Instandhaltung, Gesamtkonzept, Handwerker statt Sachverständiger
Im Namen des Volkes
Urteil
In dem Rechtsstreit
hat die 13. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Zschieschack die Richterin am Landgericht Kling
den Richter Dr. Orthmann
im schriftlichen Verfahren mit Schriftsatzfrist bis 04.06.2020
für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 08.04.2019, Az. 310 C 39/17 abgeändert und die Klage abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird für beide Instanzen auf bis 5.000,00 € festgesetzt.
I.
Die Parteien bilden die WEG Richard-Wagner-Str. 10, 12, 14, Obertshausen. Sie streiten über die Gültigkeit des auf der Versammlung vom 18.05.2017 von den Wohnungseigentümern gefassten Beschlusses unter TOP 5, der lautet: „Die Hausverwaltung wird beauftragt, die vorliegenden Aufträge zur Instandhaltung der Fenster zu vergeben. Die Gesamtsumme von 35.132,79 € wird durch eine Sonderumlage entsprechend der Eigentumsanteile erbracht. Die entsprechende Summe wird den Eigentümern durch die Hausverwaltung umgehend mitgeteilt und muss bis zum 01.07.2017 auf das bekannte Wohngeldkonto der WEG eingezahlt werden.“
Der Anfechtungsklage der Klägerin, welche der Meinung ist, der Beschluss entspreche nicht ordnungsmäßiger Verwaltung, weil die auszutauschenden Fenster nicht erneuerungsbedürftig seien, hat das Amtsgericht stattgegeben und den Beschluss für ungültig erklärt. Zur Begründung führte es aus, dass der Beschluss ordnungsmäßiger Verwaltung widerspreche, soweit es sich um eine modernisierende Instandsetzung im Sinne von § 22 Abs. 3, 21 Abs. 3 WEG handelt. Soweit der Fensteraustausch eine Modernisierung in Sinne von § 22 Abs. 2 WEG darstelle, fehle es am Vorliegen der Voraussetzungen, da eine unbillige Beeinträchtigung anderer Wohnungseigentümer gegeben sei. Eine nicht ordnungsmäßige Verwaltung bzw. eine unbillige Beeinträchtigung läge vor, weil ein Gesamtkonzept für die Erneuerung der Fenster der Liegenschaft fehle. Verwaltung und Wohnungseigentümer verführen seit Jahren nach einem erörterten, aber nicht beschlossenen oder vereinbarten Konzept. Zwar seien Wohnungseigentümer nicht stets gehalten, einen Plan für Instandsetzungs- oder Modernisierungsarbeiten aufzustellen. Im vorliegenden Fall sei dies jedoch anders zu beurteilen. Da noch eine Vielzahl von Fenstern aus der Zeit vor 1998 stammten, könne der Beschluss nicht isoliert betrachtet werden. Da die Eigentümer sich nicht rechtlich an das praktizierte Konzept gebunden hätten, bestünde die Gefahr, dass bei identischen Sachverhalten in der Zukunft in einem Fall der Antrag auf Austausch eines Fensters gebilligt, in einem anderen Fall aber abgelehnt werde. Dies berge die Gefahr unbilliger Ergebnisse.
Hinsichtlich der weiteren Feststellungen sowie der Begründung im Einzelnen wird auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der Berufung. Sie sind der Ansicht, dass das Amtsgericht zwischen modernisierender Instandhaltung und Modernisierung hätte abgrenzen müssen. Ferner belegten die eigeholten Gutachten der Baufirmen die Sanierungsbedürftigkeit der betroffenen Fenster. Die Entscheidung, sanierungsbedürftige Fenster zu erneuern, sei ermessensfehlerfrei.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Amtsgerichts Offenbach vom 08.04.2019 abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil. Der Beschluss widerspräche mangels Gesamtkonzept ordnungsmäßiger Verwaltung. Es handele sich gerade nicht ausschließlich um Instandsetzungsmaßnahmen. Es würde pauschal die Erneuerung von Fenstern beschlossen, unabhängig von deren Instandsetzungsbedarf.
Die Parteien haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren mit Schriftsätzen vom 11.05.2020 und 112.05.2020 (Bl. 302 f. d. A.) zugestimmt.
Die zulässige Berufung hat Erfolg.
Voranzustellen ist, dass es sich bei dem Austausch der Fenster nicht um eine Modernisierungsmaßnahme, sondern um eine Instandsetzung, teilweise in der Form der modernisierenden Instandsetzung handelt. Denn die Fenster werden nicht anlasslos auf einen höheren Stand der Technik gehoben, sondern eine etwaige Verbesserung erfolgt nur im Zuge einer von der Mehrheit der Wohnungseigentümer angenommenen Instandsetzungsbedürftigkeit.
Der beschlossene Austausch der Fenster als Instandsetzungsmaßnahme nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG ist allein mit Blick auf die als nicht gegeben gerügte Erneuerungsbedürftigkeit einzelner Fenster nicht zu beanstanden.
Der beschlossene Austausch der Fenster als Instandsetzungsmaßnahmen nach § 21 Abs. 4 Nr. 2 WEG ist allein mit Blick auf die als nicht gegeben gerügte Erneuerungsbedürftigkeit einzelner Fenster nicht zu beanstanden.
Bei der Beschlussfassung über Sanierungsmaßnahmen haben die Wohnungseigentümer einen Gestaltungsspielraum. Ob Wohnungseigentümer für die Sanierung einen mehrjährigen Sanierungsplan erstellen oder sich darauf beschränken, die unmittelbar erforderlichen Einzelmaßnahmen zu beschließen, steht grundsätzlich in ihrem Ermessen (vgl. BGH, Urt. V. 9. 3. 2012 – V ZR 161/11 = NJW 2012, 1724; so auch Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage 2017, § 21 Rn. 71 mwN). Anders als das Amtsgericht meint, ist es also grundsätzlich nicht zu beanstanden, dass die WEG bislang kein Gesamtkonzept entwickelte. Sofern die Wohnungseigentümergemeinschaft den Austausch von Fenstern in Folgejahren verweigern sollte, ist dies eine Frage der Ordnungsmäßigkeit des jeweiligen Beschlusses, der vom Betroffenen zur gerichtlichen Überprüfung gestellt werden kann.
Richtig ist, dass es ordnungsmäßiger Verwaltung widerspricht, die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen zu beschließen, ohne dass eine Bestandsaufnahme über den Umfang der Schäden und deren mögliche Ursache erfolgt ist. Denn nur aufgrund einer Bestandsaufnahme kann sachgerecht entschieden werden, ob eine Mangelbehebung zwingend erforderlich ist, ob sie sofort durchzuführen und in welchem Umfang sie vorzunehmen ist. Dabei ist diese Bestandsaufnahme aber nicht zwingend durch einen vereidigten Sachverständigen vorzunehmen. Bei auf der Hand liegender Schadensursache und technisch einfach gelagerten Instandsetzungsvorhaben reicht der Sachverstand von Handwerksfirmen aus (insgesamt hierzu Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage 2017, § 21 Rn. 73 mwN). Bei der Beurteilung von Instandsetzungsbedarf bei Fenstern handelt es sich um einen technisch einfach gelagerten Sachverhalt. Daher war es hier ausreichend, die Beurteilung Handwerksfirmen aus dem Fachbereich Fensterbau anzuvertrauen.
Auch an die Begründungstiefe dürfen angesichts des ohnehin den Wohnungseigentümern zuzustehenden Ermessensspielraums keine allzu großen Anforderungen gestellt werden. In Anbetracht dessen sind die in den Kostenvoranschlägen (Anlagenkonvolut Bl. 146 ff. d. A.) verzeichneten Mangelerscheinungen als Beurteilungsgrundlage gerade noch ausreichend. Dabei ist nicht zu beanstanden, dass teilweise nur konstatiert wird, dass das betreffende Fenster nicht dem aktuellen Stand der Technik entspreche. Denn jedenfalls mit Blick auf den Austausch alter (Holz-)Fenster gegen ähnlich gestaltete moderne Kunststofffenster ist mit der obergerichtlichen Rechtsprechung, welche sich die Kammer zu eigen macht, im Regelfall von einer Maßnahme ordnungsmäßiger Instandhaltung und Instandsetzung nach § 21 Abs. 5 Nr. 2 WEG, nicht aber von einer baulichen Veränderung auszugehen (BayObLG Beschl. V. 11.2.2005 – 2Z BR 177/04 = ZMR 2005, 894; BayObLG Beschl. V. 7.11.1990 – Breg. 2Z 118/90, BeckRS 2015, 299; OLG Köln NZM 1998, 821 mwN; siehe auch Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Auflage 2017, § 21 Rn. 93 „Fenster“).
Selbst wenn man – wie nicht – die Ersetzung von Holzfenstern durch Kunststofffenster als bauliche Veränderung/Modernisierung einstufen hätte der Beschluss hier Bestand. Denn jedenfalls hat die Klägerin nicht vorgetragen, wodurch sie über das in § 14 Nr. 1 bestimmte Maß hinaus beeinträchtigt wäre (§ 22 Abs. 1 WEG) bzw. wodurch die Eigenart der Wohnanlage geändert oder ein Wohnungseigentümer gegenüber anderen unbillig beeinträchtigt wäre (§ 22 Abs. 2 WEG). Die vom Amtsgericht genannte Gefahr der zukünftigen Ungleichbehandlung im Vergleich zu Beschlüssen vergangener Jahre fällt nicht unter den Begriff der (unbilligen) Beeinträchtigung im Sinne von § 22 Abs. 1 bzw. Abs. 2 WEG. Zwar sind Maßnahmen unbillig, wenn sie zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führen (BGH, Urt. v. 18.2.2011 – V ZR 82/10 = NZM 2011, 281). Der hier in Rede stehende Beschluss führt aber nicht zu einer Ungleichbehandlung, weder im Vergleich der einzelnen Wohnungen untereinander noch im Vergleich zu früheren Beschlüssen. Bislang wurden Anfragen zum Austausch von Fenstern unter den gleichen Voraussetzungen positiv beschieden. Die Frage einer Ungleichbehandlung würde sich evtl. im Falle einer späteren Verweigerung stellen, wäre aber dann ein Angriff gegen den späteren, ablehnenden Beschluss. Insoweit gilt aber das Gleichbehandlungsgebot, das die Eigentümer zwingt, nicht ohne sachliche Rechtfertigung Fälle ungleich zu behandeln (Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 25 Rn. 201a).
Schließlich ist es nicht zu beanstanden, dass weder die Wohnungseigentümer selbst noch die Verwaltung vor Auftragsvergabe drei Vergleichsangebote einholten. Denn – natürlich – ist die Zahl von drei Vergleichsangeboten kein Selbstzweck, sondern dient dazu, eine Grundlage für die sachgerechte Ermessensausübung zu schaffen (vgl. BGH NZM 2011, 515 = ZWE 2011, 317; Kammer ZWE 2017, 321). Vorliegend war die Einholung von Angeboten entbehrlich, denn dem Gebot der Wirtschaftlichkeit ist hier nämlich schon dadurch Genüge getan, dass die übernommenen Beträge ohnehin gedeckelt sind. Zudem waren den Eigentümern die Beträge aus vorangegangenen Beschlussanfechtungen bekannt (dazu Kammer WuM 2018, 589).
Nach alledem war auf die Berufung das amtsgerichtliche Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 92, 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Gründe die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Die Streitwertversetzung folgt aus § 49a GKG.