Manuskript eines Vortrages vor Verwaltungsbeiräten der Verwaltungsgesellschaft
Harbach & Meinhardt mbH, in der IHK Offenbach am 8. März 2006
Sehr geehrte Damen und Herren,
1. Vorbemerkung
ich habe die undankbare Aufgabe, Ihnen etwas über die Teilrechtsfähigkeit
der Wohnungseigentümergemeinschaft zu erzählen. Das ist eine ganz
neue Konstruktion des Bundesgerichtshofes, Beschluß vom 2.6.2005,
abgedruckt NJW 2005, 2061 2069.
Diese Aufgabe ist deswegen so undankbar, weil es sich um eine
recht trockene rechtsdogmatische Materie handelt.
2. Teilrechtsfähigkeit
Um zu verstehen, was Teilrechtsfähigkeit bedeutet, müssen wir
uns zunächst einmal klar machen, was Rechtsfähigkeit bedeutet.
Als Jurist neigt man immer dazu, zur Beantwortung von Fragen zunächst
ins Gesetz zu schauen.
Da heißt es so schön in § 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches: ?Die
Rechtsfähigkeit des Menschen beginnt mit der Vollendung der Geburt.
Aber seien wir mal ehrlich: Diese Formulierung hilft uns auch
nicht weiter. Wir wissen dann ja immer noch nicht, was mit der
Geburt beginnt. Und was heisst bei einer WEG schon ?Geburt ?
Wenn uns das Gesetz direkt keine Auskunft gibt, so schauen wir
in die juristische Literatur. Hier wird unisono formuliert: “Die
Rechtsfähigkeit ist die Fähigkeit, Adressat von Rechtsfolgen,
also Träger von Rechten und Pflichten, zu sein”. Dazu zählt auch
die Fähigkeit, Partei in einem Zivilprozess zu sein. Wenn wir
das also zusammennehmen, so kommen wir zu dem vorläufigen Ergebnis,
es geht irgendwie um die Möglichkeit der Eigentümergemeinschaft,
Träger von Rechten und Pflichten sein zu können.
Nun werden Sie sich sagen: Was ist daran spannend? Das waren wir
in der Vergangenheit auch schon immer, und was hat sich da jetzt
geändert? Schließlich haben wir auch schon säumige Wohngeldzahler
verklagen oder uns untereinander vor Gerichten streiten können.
Die Neuerung betrifft auf den ersten Blick rein formaljuristische, dogmatische Rechtsfragen. Bei näherer Betrachtung sind jedoch durchaus praktische Konsequenzen zu erkennen.
3. Person natürliche, juristische und Un-
Die Rechtsprechung ging schon immer davon aus, dass eine Eigentümergemeinschaft
keine “juristische Person sei. Anders als eine einzelne (“natürliche)
Person oder eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft oder ein eingetragener
Verein handelte es sich nämlich um eine einfache Personenmehrheit,
wie sie auch bei einer Gesellschaft bürgerlichen Rechtes vorliegt.
Auch hier müssen der Grundkonstruktion nach immer alle Gesellschafter
zugleich handeln. Für die Gesellschaft bürgerlichen Rechtes hat
der Bundesgerichtshof diese altbewährte Konzeption im Jahre 2001
aufgegeben (BGH 29.1.2001, Aktenzeichen II ZR 351/00). Er hat
in dieser Entscheidung gesagt, dass die Gesellschaft bürgerlichen
Rechts in bestimmten Konstellationen genauso zu behandeln sei
wie eine juristische Person, also etwa wie eine GmbH. Diesen Gedanken
hat der BGH nunmehr fortgeführt und auch auf die Eigentümergemeinschaft
zur Anwendung gebracht. Das bedeutet, ganz vereinfacht gesagt,
dass die Eigentümergemeinschaft in bestimmten nachfolgend noch
zu erörternden Konstellationen genauso behandelt wird, als wäre
sie eine eigene Rechtsperson. Sie kann also ?wie ein Mann im
eigenen Namen klagen und bedarf des Umweges über die Einräumung
der Verfahrens- oder Prozessstandschaft an die jeweilige Verwaltung
nicht mehr.
4. Zur Verdeutlichung: wie war es bis Juni 2005 ?
Bis dato wurden die Rechtsstreitigkeiten von allen Eigentümern
einer Eigentümergemeinschaft gegen jeweils den Gegner, also etwa
das eine Mitglied der Gemeinschaft, das das Wohngeld nicht gezahlt
hat oder den Handwerker, der mangelhaft am Haus gearbeitet hat,
geführt. Das hatte im Wesentlichen zwei unangenehme Konsequenzen:
4 a) Mehrvertretungsgebühr
Zum einen waren die Anwaltsgebühren wegen der sogenannten Erhöhungsgebühr
wesentlich höher, als wenn nur eine Person den Anwalt beauftragt
hätte. Denn es fiel die sogenannte “Mehrvertretungsgebühr für
die Vertretung von mehr als einem Auftraggeber an. Dies führte
zu erhöhten Kosten, die oft nicht auf die Gegenseite abgewälzt
werden konnten etwa dann, wenn die Gegenseite nicht zahlungsfähig
war oder dann, wenn in einem Wohnungseigentumsverfahren keine
Erstattung außergerichtlicher Kosten angeordnet wurde. Dieses
Problem war für Sie in der Regel deswegen keines, weil die allermeisten
von Harbach und Meinhardt verwalteten Gemeinschaften beschlossen
hatten, dass die Verwaltung als Prozeßstandschafterin im eigenen
Namen Recht der Gemeinschaft einklagen konnte. Dann hieß es eben
nicht mehr ?die Eigentümergemeinschaft X-Straße gemäß beiliegender
Eigentümerliste klagt, sondern es hieß dann einfach nur die ?Verwaltungsgesellschaft
Harbach & Meinhardt als Prozessstandschafterin der Eigentümergemeinschaft
X-Straße klagt. Dann fiel eben keine Erhöhungsgebühr an, weil
nur ein einzelner Mandant vertreten wurde, eben die Verwaltungsgesellschaft.
Das hat allerdings dann wieder Probleme aufgeworfen, wenn jetzt
nach Jahren aus einem Titel vollstreckt werden sollte und die
Verwaltung zwischenzeitlich gewechselt hat. Dann gab es den Antragssteller
in der WEG so nicht mehr. Da musste man dann einige Klimmzüge
anstellen, um das wieder hinzukriegen.
4b) Vollstreckung/Grundbuch
Neben dieser für die Anwälte nicht ganz so negativen Folge gab
es früher dann auch noch eine praktische für die Gemeinschaft.
Sehr anschaulich lässt es sich an dem Beispiel der Eintragung
einer Sicherungshypothek beschreiben. Wenn eine große Eigentümergemeinschaft
mit über 100 Eigentümern einen Wohngeldprozess führte, waren eben
alle Eigentümer mit Ausnahme des Beklagten auf der Klägerseite.
Der Klageschrift wurde also dann das ganze Eigentümerverzeichnis
der WEG beigeheftet. Wollte man nun ein oder zwei Jahre später
in das Grundeigentum des säumigen Zahlers vollstrecken, so mussten
auch wieder all diese Personen bezeichnet und ins Grundbuch eingetragen
werden. Änderungen im Bestand der Eigentümergemeinschaft konnten
nicht berücksichtigt werden. Das heißt, es wurden dann auch Eigentümer
eingetragen, die gar keine Eigentümer mehr waren, als die Eintragung
beantragt wurde, weil sie zwischen Einleitung der Zahlungsklage
und Antrag auf Eintragung der Sicherungshypothek ihr Eigentum
veräußert hatten. Auch war der Rechtsstreit mit dem Grundbuchamt
über die genaue Bezeichnung der einzelnen Eigentümer, ihre Vornamen
und ihre aktuellen Adressen vorprogrammiert.
5. Heute
Dies hat sich nunmehr geändert: Träger der Rechte und Pflichten
ist nunmehr in vielen Fällen die “Eigentümergemeinschaft X-Straße,
vertreten durch die Hausverwaltung. Es gibt also nur eine Rechtsperson
als Beteiligter eines Verfahrens: die WEG.
Dies gilt jedoch nicht für alle Fälle, sondern beschränkt sich
auf die Fälle, in denen es um die Wahrnehmung von Rechten nach
außen und die Rechtskonflikte, die aus der Verwaltung des gemeinschaftlichen
Vermögens erwachsen, geht. Wenn jedoch ein Streit zwischen den
einzelnen Eigentümern Gegenstand eines gerichtlichen Verfahrens
oder einer Auseinandersetzung ist, gilt dies nicht. Dann treten
die Eigentümer wieder wie bisher gegeneinander an.
Daraus folgen dann auch einige nicht ganz unspannende Konsequenzen
für die Frage der Haftung für Gemeinschaftsschulden.
Im Einzelnen:
5 a) Verwaltungsvermögen
Wenn um das sogenannte Verwaltungsvermögen gestritten wird, handelt
die Wohnungseigentümergemeinschaft als Verband. Zum Verwaltungsvermögen
zählen alle Forderungen, also etwa Wohngeld, Forderung aus der
Abrechnung, auf Sonderumlage, aber auch Forderungen aus Erträgen,
etwa Mietverträgen mit Dritten oder Schadensersatz aus Verträgen,
die die Gemeinschaft mit Dritten (etwa Handwerkern) geschlossen
hat. Verträge mit Handwerkern, aber auch Lieferanten, etwa Energie-Lieferanten,
schließt zukünftig die Gemeinschaft als Ganzes ab.
5 b) Haftung für Schulden
Eine der Konsequenzen dieser neuen Konzeption liegt darin, dass
für Schulden der Gemeinschaft nicht mehr wie bisher jeder einzelne
Eigentümer sofort und unmittelbar mit seinem ganzen Vermögen haftet,
sondern darin, dass die Haftung zunächst auf das Verwaltungsvermögen
der Gemeinschaft begrenzt ist. Reicht dieses zur Durchsetzung
einer Forderung eines Dritten, also eines Vertragspartners der
Gemeinschaft etwa, nicht aus, so will der BGH dem Gläubiger der
Gemeinschaft das Recht geben, die Pfändung der Beitragsforderungen
der Gemeinschaft gegenüber den einzelnen Eigentümern zu bewirken.
Es entfällt die Möglichkeit für Handwerker sogenannte Bauhandwerker-Sicherungshypotheken
nach § 648 Abs. 1 Satz 1 BGB eintragen zu lassen. Denn diese können
ja nur am Sondereigentum eingetragen werden, die Sondereigentümer
sind jedoch keine Vertragspartner des Handwerkers.
Wenn sich die Eigentümer pflichtwidrig weigern, einen Beschluß
zu fassen, der der Gemeinschaft die erforderliche Liquidität zur
Bedienung einer Verbindlichkeit zuführt, so hat die Gemeinschaft
einen Anspruch auf Schadensersatz, der neben dem Verzögerungsschaden
(Verzugszins) auch den Schaden umfasst, der in einem völligen
Ausfall liegt. Im Rahmen dieser Konstruktion haftet dann jeder
Eigentümer, dem ein Fehlverhalten vorzuwerfen ist und sei es
nur durch Nichtanfechtung des Nicht-Beschlusses mit seinem ganzen
Vermögen für die Erfüllung der gesamten Verbindlichkeit.
Im Ergebnis kommt der BGH also auch hier zu einer gesamtschuldnerischen
Haftung jedes einzelnen Eigentümers auf die gesamte Forderung,
allerdings nur, a) bei der Gemeinschaft nichts zu holen ist und
b) dem jeweiligen Eigentümer an dieser Situation ein wie auch
immer geartetes Verschulden vorgeworfen werden kann.
Es wird abzuwarten sein, wie Handwerker vor der Erteilung größerer Aufträge auf diese für sie entstehende Rechtsunsicherheit reagieren. Es könnte sein, dass diese zukünftig vor dem Vertragsschluss auf der Bestellung weiterer Sicherheiten wie etwa Bürgschaften oder persönlichen Haftungserklärungen der Wohnungseigentümer bestehen werden. Hier muss man die weitere Entwicklung der Rechtspraxis abwarten.
5 c) Grundbuch
Eine weitere Konsequenz der neuen Rechtssprechung liegt darin,
dass die Eigentümergemeinschaft zukünftig grundbuchfähig ist.
Das hat folgende praktische Bewandtnis: Eine der Möglichkeiten,
die Forderungen der Gemeinschaft gegen einen Miteigentümer zu
vollstrecken, besteht in einer Eintragung einer Zwangsicherungshypothek
bzw. später dann auch in der Versteigerung des jeweiligen Grundstücks.
Zukünftig wird hier eine deutliche Erleichterung eintreten: Anstelle
der Eintragung jedes einzelnen Eigentümers mit Vorname, Nachname
und Anschrift wird nunmehr als Forderungsinhaber allein die Eigentümergemeinschaft
eingetragen werden können.
Dies gilt auch, wenn die Eigentümergemeinschaft selbst eine der Eigentumswohnungen der Anlage erwerben möchte, etwa um sie als Hausmeisterwohnung zu nutzen, etc. Hier kann zukünftig die Gemeinschaft das jeweilige Sondereigentum erwerben. Nach dem Erwerb zählt dieses Wohnungseigentum dann zum Verbandsvermögen der Gemeinschaft.
6. Bereiche ohne Änderung
6 a) Beschlussanfechtungen Streit unter den Wohnungseigentümern
6 b) Gemeinschaftseigentum
Abzugrenzen vom Verwaltungsvermögen der Gemeinschaft ist das gemeinschaftliche
Eigentum, wie es die Teilungserklärung kennt. So weit um die Nutzung
des gemeinschaftlichen Eigentums, also etwa der Grünanlagen, des
Treppenhauses, etc. gestritten wird, bleibt es dabei, dass die
Eigentümer untereinander streiten. Hier ändert sich nichts.
6 c) Streit mit dem Bauträger wegen fehlgeschlagener oder fehlerhafter
Herstellung des Bauwerks
Hinsichtlich der Probleme, die im Anschluss an den Ersterwerb
und die Errichtung des Sondereigentums oft entstehen, also insbesondere
der Fragen der Abnahme und der Mängelrechte aus dem Bauträgervertrag,
ändert sich ebenfalls nichts. Diese Rechte stehen den einzelnen
Eigentümern gemäß den Kaufverträgen zu, es handelt sich hier nicht
um Fragen des Verbandsvermögens. Das bedeutet, das gemeinschaftliche
Eigentum kann auch in Zukunft nicht durch den Verwalter abgenommen
werden, sofern er nicht ausdrücklich hierzu durch die Erwerber
bevollmächtigt worden ist.
Ist das Gebäude mangelhaft errichtet worden, so hat jeder einzelne
Erwerber aus seinem Erwerbsvertrag einen eigenen Anspruch auf
mangelfreie Erfüllung seines Vertrages in Bezug auf das gesamte
Gebäude (BGH NZM 2005, 792). Er ist zur selbständigen Verfolgung
der aus diesem Vertragsverhältnis herrührenden, auf Beseitigung
der Mängel gerichteten Ansprüche auch am gemeinschaftlichen Eigentum
befugt (BGH NJW 1998, 2967). Da es auch um Ansprüche geht, die
den Erwerb der Immobilie berühren, zählen sie nicht zur Verwaltung
des gemeinschaftlichen Eigentums und damit nicht zum Verbandsvermögen
der Wohnungseigentümergemeinschaft. Auch hier ändert sich also
gegenüber der alten Rechtslage nichts.