Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt

Am 1. Januar 2004 trat nach zähem und langwierigem politischen Ringen das Gesetz zu Reformen am Arbeitsmarkt in Kraft. In dem Gesetzespaket verbergen sich neben Änderungen im Teilzeit- und Befristungsgesetz sowie Wandlungen im Sozialgesetzbuch III, Recht der Arbeitsförderung, (kurz: SGB III) vor allem Umgestaltungen im Kündigungsschutzgesetz (kurz: KSchG). Anlass für die Reformen ist die mehr und mehr Besorgnis erregende Situation am Arbeitsmarkt. Zu den Änderungen im einzelnen:

Im Kündigungsschutzgesetz ist nicht Reform, sondern Rückkehr angesagt: In wesentlichen Teilen wird zu der Fassung des noch von der alten CDU/FDP Regierung im Jahre 1996 verfassten Gesetzes zurück gekehrt.

Das Gesetz ist nun nur noch anwendbar, wenn in dem Betrieb des gekündigten Arbeitnehmers mehr als zehn Arbeitnehmer (bisher mehr als fünf) beschäftigt sind, § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG. Hiervon verspricht sich der Gesetzgeber mehr Neueinstellungen, da angenommen wird, dass der Kündigungsschutz gerade für kleine und mittelständische Unternehmen ein Hemmnis bei Neueinstellungen darstellt. Allerdings besteht Vertrauensschutz, soweit der Arbeitnehmer bisher Kündigungsschutz genoss, § 23 Abs. 1 S. 3 KSchG. Der zu entlassende Mitarbeiter muss daher sein Beschäftigungsverhältnis beim Arbeitgeber nach dem 31. Dezember 2003 begonnen haben.

Soweit das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden kann, wird vor allem die Kündigung aus betriebsbedingten Gründen erleichtert. Geändert wurden zunächst die Kriterien zur Sozialauswahl, mit der der Arbeitgeber den oder die zu entlassenden Mitarbeiter zu bestimmen hat. Statt dem bisher eher diffusen und nicht abschließenden gesetzlichen Kriterium "unter Berücksichtigung sozialer Belange" benennt der Gesetzgeber vier abschließende Punkte als Maßstab für die Sozialauswahl: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter und Unterhaltspflichten; zudem ist als viertes Kriterium die Schwerbehinderteneigenschaft benannt, § 1 Abs. 3 S. 1 KSchG. Durch die abschließende Benennung kann der Arbeitgeber Risiken bei der Auswahl minimieren, da in einem eventuellen Kündigungsschutzprozess nun keine überraschenden Belange mehr "aus dem Hut gezaubert" werden können, da die Kriterien begrenzt sind.

Wichtig für den Arbeitgeber ist weiter, dass nun Arbeitnehmer ganz von der Sozialauswahl ausgenommen werden können, wenn deren Weiterbeschäftigung "insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen" oder "zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur" des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse liegt, § 1 Abs. 3 S. 2 KSchG. Ziel soll es sein, dass dem Arbeitgeber nach Kündigungen nicht nur die auf dem Arbeitsmarkt sozial schwachen, weil älteren oder kränkeren Arbeitnehmer, verbleiben. Daher stammt auch der böse aber gängige Slogan "keine Sozialmannschaft für den Arbeitgeber" zur Umschreibung diesen Punktes der Reform.

Eine weitere fundamentale Änderung ist die Rückkehr zur Namensliste. In Betrieben mit einem Betriebsrat kann zukünftig wieder bei einer Betriebsänderung ein Interessenausgleich vereinbart werden, in dessen Rahmen die zu kündigenden Mitarbeiter namentlich benannt werden, § 1 Abs. 5 KSchG. Wird dies gemacht, so haben die betroffenen Arbeitnehmer in einem anschließenden Kündigungsschutzverfahren nur noch die Möglichkeit, die Kündigung auf grobe Fehler der Auswahl hin überprüfen zu lassen, für deren Vorliegen sie dann auch noch die volle Beweislast haben. Wenn Arbeitgeber und Betriebsrat einig sind, kann diese Änderung zum scharfen Schwert gegen allseits unliebsame Kollegen werden, nicht umsonst war die Namensliste zur Zeit des Kündigungsschutzgesetz von 1996 bis 1998 auch unter der Bezeichnung "Abschussliste" bekannt. Im Rahmen der Namensliste dürfte eher für größere Mittelständler und Großunternehmen von Relevanz sein, dass die Liste die Stellungnahme des Betriebsrates zu einer Massenentlassungsanzeige entbehrlich macht.

Gänzlich neu ist die in § 1a KSchG eingefügte Regelung des mit der Kündigung verbundenen Abfindungsangebots durch den Arbeitgeber. Die Regelung eröffnet dem Arbeitgeber bei Ausspruch einer betriebsbedingten Kündigung die Möglichkeit, diese mit dem schriftlichen Angebot einer gesetzlich definierten Abfindung in Höhe von einem halben Bruttomonatsgehalt je Jahr der Beschäftigung zu verbinden, wobei Zeiträume von mehr als einem halben Jahr aufzurunden sind. Dem Arbeitgeber ist es unbenommen, auch höhere Beträge zu bieten. Verzichtet der Arbeitnehmer in diesem Fall auf die Erhebung der Kündigungsschutzklage, so erwirbt er auch ohne Annahme des Angebots einen Anspruch auf Zahlung der Abfindung. Ob diese Regelung in der Praxis Relevanz haben wird, bleibt abzuwarten, da der Arbeitgeber weder verpflichtet ist, ein solches Angebot abzugeben, noch der Arbeitnehmer, es anzunehmen. Zudem sind noch eine Reihe von sozialversicherungsrechtlichen Aspekten ungeklärt, so zum Beispiel ob die Zustimmung des Arbeitnehmers Sperrzeiten beim Bezug von Arbeitslosengeld nach sich zieht. Hier ist die tägliche Praxis bei der Agentur für Arbeit (ehemals Arbeitsamt) abzuwarten.

Weitere wichtige Neuerung ist die Erstreckung der dreiwöchigen Klagefrist auf alle Unwirksamkeitsgründe der Kündigung, § 4 S. 1 KSchG. War es bisher so, dass nur die Frage der sozialen Rechtfertigung der Klagefrist unterlag, werden jetzt sämtliche Unwirksamkeitsgründe erfasst. Relevant ist dies insbesondere für die Rüge der mangelhaften Betriebsratsanhörung, war dies doch bisher gern genutztes Einfallstor bei Versäumung der Frist. Voraussetzung bleibt aber eine schriftliche Kündigung. Eine mündliche Kündigung kann regelmäßig nicht wirksam werden. Ausnahme bleibt auch die Kündigung, welche der Zustimmung einer Behörde bedarf, § 4 S. 4 KSchG, so bei Schwangeren oder schwerbehinderten Menschen. Dort läuft die Frist erst ab Bekanntgabe der Entscheidung der Behörde an den Arbeitnehmer. Unklar ist hier jedoch, was passiert, wenn der Arbeitgeber erst gar keinen Antrag stellt. Diese Frage ist noch höchstrichterlich zu klären.

Zudem wird Existenzgründern der Abschluss von befristeten Verträgen nach dem Teilzeit- und Befristungsgesetz erleichtert. Unternehmensgründer können Arbeitsverhältnisse ohne sachlichen Grund auf bis zu vier Jahre befristen, § 14 Abs. 2a Teilzeit- und Befristungsgesetz.

Eine gewichtige Neuregelung erfährt darüber hinaus das SGB III. Die maximale Bezugsdauer für Arbeitslosengeld wird nach Vollendung des 55. Lebensjahres auf maximal 18 Monate begrenzt, § 127 SGB III. Hinzu treten verschärfte Erstattungspflichten gegenüber der Agentur für Arbeit für Arbeitgeber, die ältere Arbeitnehmer kündigen, § 147a SGB III. Dadurch will der Gesetzgeber den Weg in die Rente vor der Rente mittels Arbeitslosengeld sperren.