Inhalt
1. Genereller Regelungsbedarf
2. Vergleich der Vorschriften für den Jugendhilfeausschuß mit
denen zum Jugendwohlfahrtsausschuß
2.1 Rechtsstellung des Ausschusses
2.2 Aufgaben
2.3 Zusammensetzung
2.4 Innere Ordnung
2.5 Resümee
3. Der Regelungsbedarf für Ausführungsvorschriften im einzelnen
3.1 Rechtsstellung des Jugendhilfeausschusses
3.2 Aufgaben
3.3 Zusammensetzung
3.4 Verfahren
Fußnoten
Das zum 1.1.1991 in den alten Bundesländern in Kraft getretene1 KJHG schreibt in § 70 Abs. 1 den Kreisen und kreisfreien Städten die Einrichtung eines Jugendhilfeausschusses vor. Die Vorschriften entsprechen im wesentlichen (zu den Abweichungen im einzelnen unten 2.) denjenigen der §§ 13 ff des alten JWG. Zur Präzisierung und Ergänzung dieser Regelungen zum Jugendwohlfahrtsausschuß haben die alten Bundesländer Ausführungsvorschriften erlassen. Solche Ausführungsvorschriften sind unentbehrlich im Hinblick auf die Bildung des Ausschusses sowie seine innere Ordnung. Zum neuen KJHG existieren - soweit ersichtlich -Ausführungsvorschriften bisher in Nordrhein-Westfalen2, Baden-Württemberg3, Bremen4 und Berlin5. Weil die beim Inkrafttreten des KJHG bereits bestehenden Jugendwohlfahrtsausschüsse nach Art. 13 KJHG bis zum Ende ihrer Amtsperiode weiterarbeiten können (allerdings unter dem Namen Jugendhilfeausschuß), ist dieses Defizit (noch) nicht virulent geworden. Erst wenn in den Ländern Kommunalwahlen anstehen, sind Ausschüsse nach dem KJHG zu bilden, Art. 13 Abs. 1 KJHG. Spätestens zu diesem Zeitpunkt also müssen die Länder Ausführungsvorschriften zum KJHG vorlegen6.
2. Vergleich der Vorschriften für den Jugendhilfeausschuß mit denen zum Jugendwohlfahrtsausschuß
Die alten Bundesländer könnten auf die Schaffung neuer Ausführungsgesetze verzichten, wenn alle Vorschriften für den Jugendhilfeausschuß mit denen für den Jugendwohlfahrtsausschuß identisch wären. Dies ist jedoch nicht der Fall: Das alte und das neue Recht stimmen zwar weitgehend, aber eben nicht völlig überein.
2.1 Rechtsstellung des Ausschusses
Die Zweigleisigkeit des Jugendamtes, also seine Zusammensetzung aus Jugendhilfeausschuß und Verwaltung des Jugendamtes, wird beibehalten, § 70 Abs. 1 KJHG, § 13 Abs. 3, 2 JWG. Der Bundesgesetzgeber hat es damit unterlassen, die heftig umstrittene Frage nach der Rechtsnatur des Jugendwohlfahrtsausschusses für den Jugendhilfeausschuß zu klären, was deshalb bedauerlich ist, weil sich aus ihrer Beantwortung Konsequenzen für die Auslegung vor allem der Vorschriften über seine Aufgaben in Abgrenzung zu anderen kommunalen Stellen ergeben7.
Die Regelung der Aufgaben erfuhr eine änderung nur insoweit, als die Anregungs- und Förderungsaufgaben des Jugendwohlfahrtsausschusses, § 15 S. 1 JWG, nunmehr in § 71 Abs. 2 Nr. 1 - 3 KJHG durch einen Katalog von Beispielen näher umschrieben wurden. Die bedeutsamen Beschluß- und Anhörungsrechte hat § 71 Abs. 3 KJHG aus §§ 15 S. 2 - 4, 16 Abs. 2 2. HS JWG übernommen, wobei allerdings die Anhörung vor der Bestellung des Leiters des Jugendamtes von einer "Muß"- zu einer "Soll"-Vorschrift herabgestuft wurde. Auf eine Verstärkung des Anhörungsrechts vor jeder Beschlußfassung der Vertretungskörperschaft in Fragen der Jugendhilfe von einer Soll- zu einer Muß-Vorschrift, wie sie im Entwurf zum KJHG enthalten war8, wurde ebenfalls verzichtet.
Das neue Recht stellt die Beteiligung beratender Mitglieder in
das Ermessen des Landesgesetzgebers, während § 14 Abs. 1 Nr. 3
- 7 JWG hier zwingendes Recht setzte.
Die Regelungen über die stimmberechtigten Mitglieder des Ausschusses
haben sich insoweit geändert, als der Anspruch der freien Vereinigungen
und der Jugendverbände auf zwei Fünftel der Sitze aus § 14 Abs.
1 Nr. 2 S. 2 JWG in dieser Form vom § 71 Abs. 1 Nr. 2 KJHG nicht
aufrechterhalten wurde. Zwar sind nach dieser Vorschrift zwei
Fünftel der Sitze nur auf Vorschlag der im Bereich des öffentlichen
Trägers wirkenden und anerkannten Träger der freien Jugendhilfe
zu besetzen. Doch sind dabei Vorschläge der Jugendverbände und
Wohlfahrtsverbände nur "angemessen zu berücksichtigen".
Eine zweite änderung liegt darin, daß die Mitgliedschaft von in
der Jugendwohlfahrt erfahrenen Personen nicht mehr zwingend angeordnet
ist, sondern dem kommunalen Ermessen anheimgestellt wird, § 71
Abs. 1 Nr. 1 KJHG versus § 14 Abs. 1 Nr. 1 JWG.
Das innere Verfahren des Jugendwohlfahrtsausschusses wurde weitgehend
durch Landesrecht, kommunale Satzung (Jugendamtssatzung) und die
Geschäftsordnung des Ausschusses selbst geregelt. Diese Struktur
behält das KJHG bei. änderungen des Verfahrensrechts sieht § 71
Abs. 3 S. 3, 4 KJHG vor:
der Jugendhilfeausschuß tagt öffentlich,
die jährliche Mindestsitzungszahl ist entfallen,
dafür vermag nun ein Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder
(statt bisher ein Drittel) eine Sitzung zu erzwingen.
Wenn auch die Unterschiede der Regelungen nicht gravierend sind,
so ist doch nicht zuletzt wegen der durch die änderung der Zusammensetzungsvorschriften
aufgeworfenen Fragen eine Neufassung des Ausführungsrechts unentbehrlich.
Eine derartige Neufassung gibt Gelegenheit, Streitfragen, die
die Arbeit des Jugendwohlfahrtsausschusses in der Vergangenheit
belasteten, zu klären.
Der hier vorgelegte Beitrag will auf der Basis der Ausführungsvorschriften
der Länder zum JWG Gedanken für die zu schaffenden Ausführungsregeln
entwickeln. Dabei fließen die Erfahrungen ein, die der Autor als
Mitglied des Jugendwohlfahrtsausschusses der Stadt Offenbach seit
1985 gewonnen hat.
3. Der Regelungsbedarf für Ausführungsvorschriften im einzelnen
3.1 Rechtsstellung des Jugendhilfeausschusses
Der Streit, ob der Jugendwohlfahrtsausschuß als Ausschuß eigener
Art oder als Ausschuß der Vertretungskörperschaft mit spezialgesetzlichen
Zusammensetzungsregeln zu behandeln sei bzw. was in Hessen aus
seiner Qualifizierung als Kommission an rechtlichen Konsequenzen
abzuleiten sei, ist durch das KJHG für den Jugendhilfeausschuß
nicht beseitigt worden.
Die Ausführungsvorschriften sollten hier Klarheit bringen. Dabei
sollte sich der Gesetzgeber vor Augen halten, daß die Qualifizierung
als Ausschuß der Vertretungskörperschaft insofern Probleme schafft,
als dieser Ausschuß gleichzeitig Teil des Jugendamtes und damit
der Exekutive der Gemeinde ist. Die Anbindung an die Vertretungskörperschaft
erscheint daher nicht zweckdienlich. Aber auch die hessische Lösung,
die Qualifizierung als Kommission i.S. § 72 HGO, befriedigt nicht.
Zwar ist es konsequent, den Ausschuß dadurch der Verwaltung zuzuordnen,
doch fehlen ihm fast alle übrigen Elemente des Kommissionsstatus.
Weder werden ihm die Aufgaben durch den Gemeindevorstand übertragen,
noch ist er seinen Weisungen unterworfen; schließlich ist die
Zusammensetzung abweichend von § 72 Abs. 2 HGO geregelt. Diese
Unterschiede finden ihren Grund darin, daß die nach Art. 31 GG
das Landesrecht brechenden bundesgesetzlichen Normen dies nicht
vorsehen. Der ratio der Zusammensetzungs- und Kompetenzvorschriften
des KJHG kann am ehesten mit der Ausgestaltung als Ausschuß eigener
Art entsprochen werden.
Damit wird vom Gesetzgeber nicht verlangt, daß er neue Konstruktionen
erfinden soll, die die Systematik vorhandener Klassifizierungen
sprengen würden. Schließlich existieren noch andere Gremien auf
der kommunalen Ebene, die weder Kommissionen noch Ausschüsse der
Vertretungskörperschaft sind. Neben den in den meisten (alten)
Bundesländern existierenden Beiräten im Naturschutz- und Landschaftspflegerecht
können an dieser Stelle beispielhaft noch der hessische Denkmalbeirat
und das hessische Kreiskuratorium für Erwachsenenbildung sowie
der Katastrophenschutzstab genannt werden.9
Schließlich empfiehlt sich die übernahme der (freilich nur deklaratorischen)
Vorschriften des § 6 Nied. AGJWG, § 7 Abs. 1 SaAGJWG zur Weisungsfreiheit.
Denn eine Weisungsunterworfenheit (wie sie für hessische Kommissionen10, aber auch die Ausschüsse der Vertretungskörperschaft in Baden-Württemberg
gilt, § 39 Abs. 3 S. 5 BWGO) kollidiert mit dem Sinn und der Funktionsweise
des Jugendhilfeausschusses als kollegiales Gremium. So kann etwa
das Anhörungsrecht nach § 71 Abs. 3 S. 2 KJHG nur dort seine Aufgabe
erfüllen, wo der anzuhörende Ausschuß keinen Weisungen bezüglich
des Inhalts seiner Stellungnahme unterliegt.11
Der Landesgesetzgeber kann wegen Art. 31 GG dem Jugendhilfeausschuß
keine der durch das KJHG zugesprochenen Kompetenzen entziehen.
Der landesrechtliche Regelungsvorbehalt in § 71 Abs. 5 erfaßt
nur "das Nähere", also Präzisierungen des vom Bundesgesetzgeber
gezogenen Rahmens. Will er jedoch die Rechte des Ausschusses gegenüber
der Gemeinde und ihrer Vertretung erweitern, bedarf er keiner
bundesgesetzlichen Ermächtigung. Denn insoweit kann er sich auf
seine Gesetzgebungskompetenz für das Kommunalrecht12 berufen. Danach ist es ihm gestattet, die Rechte der Organe der
Gemeinde zugunsten anderer in der Kommune einzurichtender Gremien
zu beschränken, wie dies etwa in § 50 des saarländischen KSVG
für Ausländerbeiräte geschehen ist. Hier käme etwa ein Recht des
Jugendhilfeausschusses in Betracht, Sprecher zu den Beratungen
der Vertretungskörperschaft oder ihrer Ausschüsse zu entsenden,
sofern Fragen der Jugendhilfe auf der Tagesordnung stehen. Solche
Vorschriften finden sich für den Jugendhilfeausschuß in Bremen,
§ 4 Abs. 4 S. 1 Brem. AG-KJHG, aber auch für den Ausländerbeirat
im Saarland, § 50 Abs. 4 S. 3 KSVG.
Weiterhin könnte das Anhörungsrecht des Ausschusses von einer
"Soll-Vorschrift" zu einer "Muß-Vorschrift" verstärkt werden,
wie dies (zumindest partiell) mit § 4 Abs. 1 S. 2 Brem. AG-KJHG
geschehen ist. Dies hätte zur Folge, daß die unter Verletzung
des Anhörungsrechts ergangenen Entscheidungen der Vertretungskörperschaft
vom Jugendhilfeausschuß gerichtlich effektiver angefochten werden
könnten. Daß der Jugendhilfeausschuß als Kontrastorgan befugt
ist, gegen kommunale Entscheidungen zu klagen, die ihn in seinen
Rechten verletzen, ist grundsätzlich anerkannt13. Nach der neuesten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes14 ist nunmehr auch klargestellt, daß allein die Verletzung eines
Anhörungsrechts, hinter dem kein materielles Recht steht, ausreicht,
um die Befugnis zur Erhebung einer Klage vor den Verwaltungsgerichten
nach § 42 Abs. 2 VwGO zu verleihen. Ohne diesen Rechtsschutz kann
das Anhörungsrecht in Konfliktfällen praktisch nicht vor seiner
willkürlichen Mißachtung geschützt werden.
Die Stellung des Jugendhilfeausschusses kann weiterhin auch im
Zusammenhang mit einer deutlicheren Abgrenzung seiner Kompetenzen
gegenüber dem Leiter der Verwaltung (des Jugendamtes) erreicht
werden. Dabei wäre allein schon im Hinblick auf den Streit in
der Literatur, ob dem Jugendwohlfahrtsausschuß das Recht zur Beschlußfassung
auch in Einzelfällen zukommt oder ob die Einzelfallentscheidung
der Verwaltung vorbehalten ist15, eine präzisere Bestimmung durch die Ausführungsgesetze wünschenswert.
Will der Landesgesetzgeber der ursprünglichen Intention der Einfügung
eines Ausschusses mit Laienbeteiligung in die Jugendamts-Verwaltung
gerecht werden, darf er dessen Aufgabenkreis nicht auf Grundsatz-Entscheidungen
begrenzen. Denn "die mitverantwortlichen Bürger dürfen nicht nur
auf einige grundsätzliche und besonders wichtige Angelegenheiten
verwiesen werden, zumal im Einzelfall oft sehr schlecht feststellbar
wäre, ob eine Grundsatzfrage ... vorliegt."16 Kann sich der Landesgesetzgeber nicht dazu durchringen, das Entscheidungsrecht
des Jugendhilfeausschusses in allen Angelegenheiten der öffentlichen
Jugendhilfe ausdrücklich festzuschreiben, sollte ihm zumindest
das Recht eingeräumt werden, die Entscheidungen über alle Einzelfälle
auf diesem Gebiet an sich ziehen zu können, sofern sie nach seiner
Einschätzung wichtig oder bedeutsam sind. Damit wird die generelle
Verantwortlichkeit des Leiters der Verwaltung (des Jugendamtes)
für die laufende Verwaltung, wie sie § 70 Abs. 2 KJHG übereinstimmend
mit § 16 Abs. 1 JWG ausspricht, nicht aufgehoben.
Das KJHG spricht in § 71 Abs. 1 Nr. 2 von einer "angemessenen Berücksichtigung"
der Vorschläge der Jugend- und der Wohlfahrtsverbände. Damit öffnet
der Gesetzgeber den Weg für die Einbeziehung aller anerkannten
Träger der freien Jugendhilfe in den Jugendhilfeausschuß. Diese
Regelung ist allerdings nur auf den ersten Blick positiv. Denn
über die weitgefaßte Bestimmung des § 75 Abs. 1 KJHG wird der
Kreis der anerkennungsfähigen Organisation sehr groß gezogen:
Selbsthilfegruppen, örtliche Initiativen bis hin zu geschickt
organisierten halb-kommerziellen Einrichtungen können demnach
die Voraussetzungen für die Mitgliedschaft im Jugendhilfeausschuß
erwerben und damit die Jugendorganisationen und -verbände verdrängen.
Dies widerspricht der ursprünglichen Zielsetzung der Einführung
des Jugendwohlfahrtsausschusses: mit ihm war "ein allgemein verbindlicher
Weg gefunden (worden), um die großen Erfahrungen, die die freien
Vereinigungen für Jugendwohlfahrt in vielen Jahren äußerst erfolgreichen
Wirkens gesammelt haben und in Zukunft weiterhin sammeln werden,
für die gesamte öffentliche Jugendhilfe nutzbar ..." zu machen17. Die betroffene Jugend sollte selbst über ihre Verbände zu Wort
kommen. Denn nur hier findet sich neben der gebotenen Fachlichkeit
ein demokratisch legitimiertes Mandat zur Interessenvertretung
junger Menschen18. Die Einbeziehung anderer, den sie wählenden Fraktionen der Vertretungskörperschaft
genehmerer Träger gefährdet diese Zielsetzung19.
Hier ist es Sache des Landesgesetzgebers, durch seine Ausführungsbestimmungen
den Einfluß und das Gewicht der demokratisch strukturierten Jugendorganisationen
sicherzustellen. Dies ist am effektivsten durch eine übernahme
der Formel, nach der den Jugendverbänden 1/5 der Sitze im Jugendhilfeausschuß
vorzubehalten ist, zu erreichen. Besteht darüberhinaus lokaler
Bedarf an der Einbeziehung anderer Personen und Träger, können
diese als "Frauen und Männer, die in der Jugendhilfe erfahren
sind" (§ 71 Abs. 1 Nr. 1 KJHG), von der Vertretungskörperschaft
in den Ausschuß gewählt werden. Kann sich der Gesetzgeber mit
dieser Lösung nicht anfreunden, sollte er zumindest vorsehen,
daß den Jugendverbänden "in der Regel" 1/5 der Sitze verbleibt.
Damit kann in einer Kommune nur ausnahmsweise in begründeten Einzelfällen
von der bewährten Praxis der vergangenen Jahrzehnte abgewichen
werden. Die Gefahr einer allein an der politischen Opportunität
orientierten Zusammensetzung des Jugendhilfeausschusses wird dadurch
verringert. Ein Stück in diese Richtung geht § 2 Abs. 4 Bad.-Württ.
AG-KJHG, wonach zwei Fünftel der stimmberechtigten Mitglieder
auf Vorschlag der Jugend- und Wohlfahrtsverbände "unter angemessener
Berücksichtigung der Vorschläge der dort wirkenden anerkannten
Träger der freien Jugendhilfe, die keinem dieser Verbände angehören,
zu wählen" sind. Einen anderen Weg geht § 2 Abs. 2 S. 5 Brem.
AG-KJHG, der mindestens 4 von 6 Sitzen den Verbänden vorbehält.
Die Ausgrenzung der Jugendorganisationen der Parteien aus den
Jugendverbänden i.S. KJHG durch eine gesetzliche Vorschrift erscheint
angesichts der eindeutigen Rechtsprechung20, die beide strikt voneinander trennt, entbehrlich.
Bezüglich der Zusammensetzung erscheinen noch weitere Fragen regelungsbedürftig.
In der Vergangenheit wurde behauptet, daß eine Wahl der Mitglieder
des Ausschusses durch die Vertretungskörperschaft nur dann stattfinden
könnte, wenn die Zahl der Vorschläge über die der zu wählenden
Positionen hinausgehe21. Da das KJHG (wie schon das JWG) nur von "Vorschlägen" und "wählen"
spricht, kann diese Auffassung nicht aus dem Gesetz abgeleitet
werden. Daher ist danach zu fragen, ob der Begriff der Wahl notwendig
die Auswahl des Wählers zwischen mehreren Kandidaten zum Inhalt
hat. Dies ist zu verneinen22. Eine Wahl findet auch überall dort statt, wo nur ein Kandidat
antritt. Der Wähler hat dann die Wahl zwischen Zustimmung und
Ablehnung - ja oder nein-Stimme. So werden etwa die Vorsitzenden
von Parteien und Fraktionen oft ohne Gegenkandidat gewählt. Niemand
käme bei diesem Verfahren auf die Idee, zu behaupten, daß sie
nicht aus einer Wahl hervorgegangen seien. Auch bei einer Listenwahl
gilt nichts anderes: wird nur eine Liste vorgelegt, kann der Wähler
sie akzeptieren oder zurückweisen. Eine klarstellende Bestimmung
in diesem Sinn, etwa des Inhalts, daß für jeden zu vergebenden
Sitz (nur) ein Vorschlag unterbreitet werden muß, könnte der Rechtsunsicherheit
ein Ende bereiten. Nur damit wird auch das für eine effektive
Arbeit des Ausschusses unentbehrliche Vertrauensverhältnis zwischen
den Jugend- und Wohlfahrtsverbänden und ihren Vertretern gesichert.
Die Verbände werden nur dann vertrauensvoll im Jugendhilfeausschuß
mitarbeiten, wenn die Auswahl ihrer Vertreter nicht von dritter
Seite nach verbands-fremden Kriterien gesteuert werden kann. Nur
die Verbände selbst sind aufgrund ihrer Kenntnis in der Lage,
die Personen auszuwählen, die ihnen am geeignetsten zur Wahrung
ihrer Interessen erscheinen. Aus dem gleichen Grund sollten auch
die Vorschläge für jeden Sitz aus einem Kandidaten und dessen
Stellvertreter bestehen und nicht bloß aus zwei Namen, denen die
Vertretungskörperschaft dann nach Gutdünken die Funktion eines
ordentlichen Mitgliedes und dessen Vertreters zuordnen kann. Vorschriften
wie § 4 S. 2 Berl. AG-KJHG sowie § 4 Abs. 4 S. 1 Nord.-Westf.
AG-KJHG verlangen für jeden zu vergebenden Sitz mindestens zwei
Vorschläge. Damit schaffen sie zwar Rechtsklarheit, werden aber
der Zielsetzung der Verbandsbeteiligung nicht gerecht.
Diese überlegungen sprechen noch für eine weitere organisatorische
Regelung. ähnlich Art. 3 Abs. 1 S. 3 BayJAG und § 2 Abs. 2 S.
4 Brem. AG-KJHG sollte der (Stadt- oder Kreis-) Jugendring in
die Vorschlagspraxis einbezogen werden. Ein solcher einheitlicher
und zwischen den Jugendverbänden im Jugendring abgestimmter Vorschlag
erscheint deshalb erstrebenswert, weil hier aufgrund der Kenntnis
der Personen und Verbände eine bessere Beurteilung von Engagement
und Fähigkeit der Vertreter vorgenommen werden kann.
Schließlich sollten die Ausführungsbestimmungen darauf verzichten,
über den Vorschlag hinaus weitere Voraussetzungen der Wählbarkeit
wie Alter, Wohnsitz, Einwohnereigenschaft etc. aufzustellen. So
sollte nicht von "Bürgern" gesprochen werden, weil damit sowohl
Ausländer wie Jugendliche, die in den Verbänden kontinuierlich
und erfolgreich mitgearbeitet haben, von einer Tätigkeit im Ausschuß
ausgeschlossen würden. Schließlich haben einige Bundesländer in
den letzten Jahren ihre Gemeindeordnungen dahingehend geändert,
daß nunmehr sog. sachkundige Einwohner an Stelle von Bürgern in
die Ausschüsse der Vertretungskörperschaft gewählt werden können,
um Ausländer, aber auch Jugendliche23 an der Arbeit der Vertretungskörperschaften beteiligen zu können24. Dies muß auch für den Jugendhilfeausschuß gelten. So läßt §
2 Abs. 5 S. 2 Brem. AG-KJHG eine Mitgliedschaft ausländischer
Mitbürger zu.
Weiterhin sollte auf die Voraussetzung des Wohnsitzes auf dem
Gebiet der Kommune, in der der Ausschuß gebildet werden soll,
verzichtet werden. Angesichts der Wohnraumsituation in den Ballungsgebieten
und dem Auseinanderfallen von Wohnort und Ort der Verbandsmitgliedschaft
kommt es vor, daß in einer Kommune in der Jugendarbeit Aktive
nicht in dieser Kommune wohnen. Warum Gewerkschafter, die nach
ihrem Arbeitsort in einer Stadt organisiert und aktiv sind, aber
in der Nachbarstadt wohnen, die Gewerkschaft nicht im Jugendhilfeausschuß
ihres Arbeitsortes vertreten dürfen, bleibt ohne sachlichen Grund.
Vergleichbare Vorschrift fanden sich für das JWG in § 4 Abs. 4
Saar. AGJWG, Art. 6 BayJAG, die auf den "Ort der Tätigkeit" bzw.
"des ständigen Aufenthaltes" abstellten.
Konsequenterweise folgt daraus die Ablehnung der Einwohner-Eigenschaft
als Wählbarkeitsvoraussetzung: auch sie setzt den Wohnort25 voraus.
Um weitere Rechtsunklarheiten zu beseitigen, sind Vorschriften
über das Ende der Mitgliedschaft aufzunehmen. Ein Verweis auf
die für die Gemeindevertreter geltenden Vorschriften genügt nicht,
denn durch die Mitgliedschaft von Vertretern der Jugendverbände
weicht die Zusammensetzung und damit Struktur des Jugendhilfeausschusses
von den anderen Ausschüssen der Vertretungskörperschaft grundsätzlich
ab: hier sollen Personen als Vertreter von Organisationen teilnehmen
und für die Verbände, die sie vorgeschlagen haben, sprechen. Ihre
Mitgliedschaft macht nur deshalb und so weit Sinn, wie sie in
der Lage sind, die Auffassungen ihres Verbandes zu artikulieren.
Geht das hierfür erforderliche Vertrauensverhältnis zur vorschlagenden
Organisation verloren, kann das Mitglied nicht mehr als dessen
Vertreter bezeichnet werden. Augenfällig wird dies, wenn der Vertreter
aus der vorschlagenden Vereinigung austritt und in eine Konkurrenzorganisation
eintritt. Neben ein Ende der Mitgliedschaft durch Ablauf der Wahlperiode
und durch Rücktritt muß deshalb für die Mitglieder aus den Verbänden
ein Ende der Mitgliedschaft durch Rücknahme des Vorschlages seitens
der vorschlagenden Organisation treten. Auch damit soll nicht
die Einführung gänzlich neuer Vorschriften befürwortet werden;
vergleichbare Regelungen finden sich in § 2 Abs. 6 Bad.-Württ.
AG-KJHG, § 9 Abs. 2 Saar. AGJWG.
Damit der Ausschuß auch gegen Ende seiner Wahlperiode beschlußfähig
bleibt, ist ein Nachrücken des Stellvertreters bei Ausscheiden
des von ihm vertretenen ordentlichen Mitglieds vorzusehen. Falls
dann auch noch der Vertreter ausscheidet, hat eine Neuwahl stattzufinden.
Aufgrund eines Vorschlages derjenigen Stelle, die das ausgeschiedene
Mitglied bzw. dessen Stellvertreter vorgeschlagen hatte, sind
dann ein neues Mitglied und dessen Stellvertreter zu wählen. Eine
vergleichbare Vorschrift findet sich in § 4 Abs. 2 S. 3 Nord.-Westf.
AG-KJHG.
Der Jugendhilfeausschuß benötigt für seine kontinuierliche Arbeit
nicht nur einen stetigen Informationsfluß aus der Verwaltung des
Jugendamtes sowie dem Gemeindevorstand (Magistrat), sondern er
muß auch in einen Argumentationsaustausch mit den politisch und
fachlich verantwortlichen Personen eintreten können. Daher ist
die - zumindest beratende - Mitgliedschaft des Leiters des Jugendamtes
sowie des zuständigen Fach-Dezernenten unverzichtbar.
Wie schon bisher für den Jugendwohlfahrtsausschuß ist auch dem
Jugendhilfeausschuß die Geschäftsordnungsautonomie einzuräumen,
vgl. etwa § 5 HessJWBG, § 2 Abs. 6 S. 2 Brem. AG-KJHG.
Die Einrichtung von Unterausschüssen26 hat sich ebenso bewährt wie die Vorschriften über ihre Zusammensetzung.27 Wie überall im Bereich (kollegialer) Arbeitsorganisation, besonders
im parlamentarischen Bereich, kann dadurch eine wesentliche Entlastung
der Arbeit des Jugendhilfeausschusses bewirkt werden. Gerade die
hessische Praxis, die Bildung eines Unterausschusses für Jugendpflege-
sowie Jugendfürsorgeangelegenheiten vorzuschreiben und darin den
Jugendverbänden bzw. den Wohlfahrtsverbänden einen Anspruch auf
je die Hälfte der Sitze vorzubehalten, hat sich bewährt.
Bestimmungen über die Vertretung eines verhinderten Mitgliedes
sind unverzichtbar. Kann eine Vertretung im Einzelfall mangels
Regelung nicht stattfinden, ist die Beschlußfähigkeit der Sitzungen
stark gefährdet. Vertretungs-Vorschriften sind auch dann in die
Landesausführungsgesetze aufzunehmen, wenn der Jugendhilfeausschuß
(anders als hier vorgeschlagen) als Ausschuß der Vertretungskörperschaft
eingerichtet wird. Denn die Vertretungsregelungen der Gemeindeordnungen
sind auf die Gemeindevertreter zugeschnitten; sie berücksichtigen
weder die unterschiedliche Rekrutierung noch Aufgabe der anderen
Mitglieder des Jugendhilfeausschusses. Dies soll am Beispiel der
hessischen Gemeindeordnung dargelegt werden. Nach § 62 Abs. 2
S. 3 HessGO können sich die Mitglieder der Ausschüsse im Einzelfall
durch andere Gemeindevertreter vertreten lassen. Dies rechtfertigt
sich daraus, daß auch die Gemeindevertreter, die dem Ausschuß
nicht angehören, über die gleiche demokratische Legitimation verfügen
wie das ordentliche Mitglied. Es existiert kein vergleichbares
"Reservoir" adäquat legitimierter Mitglieder für diejenigen Mitglieder
des Jugendhilfeausschusses, die nicht zugleich der Vertretungskörperschaft
angehören (also Vertreter der Verbände sowie in der Jugendhilfe
erfahrene Frauen und Männer). Daher sollte jedenfalls für diese
Mitglieder des Jugendhilfeausschusses bestimmt werden, daß im
Verhinderungsfall ihr Stellvertreter stimmberechtigt ist.
In den Landesausführungsgesetzen zum JWG findet sich meist eine
Bestimmung, nach der der Leiter der Verwaltung der Kommune oder
des Jugendamtes den Vorsitz im Jugendhilfeausschuß innehat28 oder aber diese Rechtsfolge ergibt sich aus einer Verweisung
auf die entsprechenden Vorschriften der Gemeindeordnungen29. In Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen wurde der Vorsitzende
gewählt, wobei allerdings ausschließlich ein Gemeindevertreter
gewählt werden konnte30. Am weitesten gehen hier § 2 Abs. 8 Hamb. AGJWG und § 2 Abs.
6 S. 1 Brem. AG-KJHG, wonach der Ausschuß den Vorsitzenden aus
seiner Mitte wählt. Die Regelung des Vorsitzes hat sicherzustellen,
daß das für eine fruchtbare Arbeit unerläßliche Vertrauensverhältnis
zwischen dem Ausschuß und seinem Vorsitzenden besteht. Vorschriften,
die einen Vorsitzenden kraft Amtes vorsehen, werden diesem Anspruch
nicht gerecht; jede Form einer Wahl ist dem vorzuziehen. Aus der
Sicht der Jugend- und Wohlfahrtsverbände ist die Wahl aus der
Mitte des Gremiums derjenigen nur aus den ausschußangehörigen
Mitgliedern der Vertretungskörperschaft vorzuziehen. Denn nur
in diesem Fall haben sie die Chance, den für die Ausschußarbeit
bedeutsamen Posten des Vorsitzenden mit einer Person aus ihren
Reihen zu besetzen. Mit solchen Vorschriften könnte ein oft als
belastend empfundenen innerpersönlichen Konflikt für den (geborenen)
Vorsitzenden vermieden werden: War der Fach-Dezernent Ausschußvorsitzender,
war es seine Aufgabe, die Position des Ausschusses gegenüber dem
Magistrat etc. zu vertreten. Gleichzeitig sollte er jedoch im
Jugendhilfeausschuß der Meinung des Magistrats zum Durchbruch
verhelfen. Wenn sich dabei Meinungen konträr gegenüberstanden
(nicht selten bei Finanzfragen), geriet der Vorsitzende in einen
von ihm selbst als störend empfundenen Rollenkonflikt.
Der Verzicht des KJHG auf eine jährliche Mindest-Sitzungszahl
kann vom Landesgesetzgeber korrigiert werde. Für eine kontinuierliche
Ausschußarbeit erscheint eine Zahl von mindestens vier Sitzungen
im Jahr wünschenswert.
Ebenfalls der Förderung einer kontinuierlichen Arbeit dient die
Aufnahme einer bisher in § 5 Abs. 3 Nieders. AGJWG, § 2 Abs. 10
S. 2 Hamb. AGJWG und § 4 Abs. 2 S. 2 Nord-Westf. AG-KJHG sowie
neuerdings in § 2 Abs. 8 S. 2 Brem. AG-KJHG vorgesehenen Regelung,
wonach der Jugendhilfeausschuß die Geschäfte auch nach Ablauf
der Wahlperiode weiterführt, bis sich der neue Jugendhilfeausschuß
konstituiert hat.
Weitere Verfahrensfragen wie Beschlußfähigkeit, aber auch Zahl
und Rekrutierung beratender Mitglieder sollten den örtlichen Bedürfnissen
angepaßt werden können. Ihre Aufnahme in Landesausführungsgesetze
ist daher nicht erforderlich; dies kann vielmehr der Regelung
durch die Jugendamtssatzung vorbehalten bleiben.
So sollte auch grundsätzlich gelten, daß der Landesgesetzgeber
sich in all den Detail-Fragen, bei denen er auch nur leise Zweifel
an der Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung verspürt, zurückhalten
sollte, um den Kommunen eine lokal angepaßte Regelung der betreffenden
Frage nicht zu versperren.