Inhalt
1. Genereller Regelungsbedarf
2. Vergleich der Vorschriften für den Jugendhilfeausschuß mit
denen zum Jugendwohlfahrtsausschuß
2.1 Rechtsstellung des Ausschusses
2.2 Aufgaben
2.3 Zusammensetzung
2.4 Innere Ordnung
2.5 Resümee
3. Der Regelungsbedarf für Ausführungsvorschriften im einzelnen
3.1 Rechtsstellung des Jugendhilfeausschusses
3.2 Aufgaben
3.3 Zusammensetzung
3.4 Verfahren
Fußnoten
Vorbemerkung:
Die juristische Aufarbeitung des Problemkreises des In-sich-Prozesses
dauert immer noch an. Während das Bundesverwaltungsgericht etwa
in der Entscheidung von 1974 noch vom "grundsätzlichen Verbot
des In-sich-Prozesses" nur Ausnahmen zulassen will, setzt es die
Akzente in seiner Entscheidung von 1991 anders, indem es von einer
Neutralität des Verwaltungsprozeßrechts zur Frage des In-sich-Prozesses
ausgeht. Hinzu kommt, daß neue Konfliktsituationen von den Gerichten
entschieden werden mußten: Klagen von Gremien, die in der Verwaltung
angesiedelt sind, wie dem Jugendhilfeausschuß und dem Naturschutz.
bzw. Landschaftsbeirat.
Inhalt
1. Fragestellung
2. Die Zulässigkeit eines In-sich-Prozesses
2.1 Der Begriff des In-sich-Prozesses
2.2 Klagefähige (Innen-) Rechtspositionen
2.2.1 Zusammensetzung der Gremien
2.2.2 Beteiligungsrechte der Gremien
2.3 Verfahrensfragen
3. Normenkontrolle durch Gremien
4. Ergebnis
Fußnoten
An der kommunalen Verwaltung wirken vielerorts Gremien mit. Neben
der Gemeindevertretung und ihren Ausschüssen existieren Gremien,
die uneinheitlich als Beiräte, Kommissionen oder Ausschüsse bezeichnet
werden. Handelt es sich dabei um Gremien, die nur aus Angehörigen
der Kommunalverwaltung gebildet werden, sind sie rechtlich weitgehend
unproblematisch. Anders sieht die Situation hingegen für diejenigen
Gremien aus, in deren Arbeit "Private", also Personen, die weder
der Verwaltung noch der Gemeindevertretung angehören, einbezogen
werden. Solche Gremien können entweder aufgrund von Vorschriften
des Landes-1 oder Bundesrechts, aber auch ohne gesetzliche Vorgaben direkt
durch die Kommunen gebildet werden2. Schließlich können Private als sog. sachkundige Einwohner bzw.
Bürger Mitglied in den Ausschüssen einiger Bundesländer werden3.
Durch die Einbindung von Vertretern der am Geschäftsbereich der
Gremien besonders interessierten Bevölkerungsgruppen soll zum
einen externer Sachverstand in die Verwaltung eingebracht werden.
Daneben sollen derart zusammengesetzte Gremien einer verstärkten
Berücksichtigung spezifischer Aspekte der öffentlichen Belange
dienen. Ihre Funktion kann damit als "indirekte Bürgerbeteiligung"
bezeichnet werden.
Hierfür werden derartigen Gremien unterschiedliche Beteiligungsrechte
- von Informations- über Anhörungs- bis zu Widerspruchsrechten
- eingeräumt. Die Wirksamkeit dieser Rechte auf Beteiligung am
Verwaltungsverfahren hängt jedoch nicht zuletzt davon ab, ob sie
gerichtlich durchgesetzt werden können. Damit stellt sich die
Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen Gremien gegen die
Kommune, in der sie gebildet sind, klagen können.
2. Die Zulässigkeit eines In-sich-Prozesses
Die rechtswissenschaftliche Bearbeitung dieses Problembereichs
bewegt sich auf weitgehend unsicherem Terrain. Im Mittelpunkt
der dogmatischen Auseinandersetzung steht dabei der Topos des
In-sich-Prozesses.
2.1 Der Begriff des In-sich-Prozesses
Die Schwierigkeiten beginnen bereits mit dem Versuch, alle unter
den In-sich-Prozeß zu fassenden Fallkonstellationen von verwandten
Problemen abzugrenzen.
So ist umstritten, ob die sog. Kommunalverfassungstreitigkeiten
- auch (kommunalrechtliche) Organklagen oder Organstreitigkeiten
genannt - als Unterfall des In-sich-Prozesses zu begreifen sind4 oder nicht5. Die Trennung der beiden Rechtsschutz-Fallgruppen wird damit
begründet, daß es einer vergleichbaren Grundproblematik ermangele.
Der Organstreit ziele anders als der In-sich-Prozeß nur auf die
überprüfung der Richtigkeit des organschaftlichen Funktionsablaufs,
nicht aber auf die Unrichtigkeit der Verwaltungsentscheidung nach
materiellem Recht6. Nicht die Bewährung des Funktionsablaufs, sondern der aufgabenverteilenden
Zuständigkeitsordnung stehe im Streit - und damit grundverschiedene
Probleme7.
Diese Auffassung überzeugt nicht, wie sich gerade im Hinblick
auf die hier untersuchten Gremien zeigen läßt: nur der Rechtsschutz
derjenigen, die als kommunale Organe oder deren Teile begriffen
werden können, kann u.U. im Wege der kommunalen Organklage realisiert
werden. Fehlt ihnen die Organstellung, kann immer noch gefragt
werden, ob sie sich als Behörden oder vielleicht nur als Teile
von Behörden gegen eine Verletzung ihrer Beteiligungsrechte gerichtlich
wehren können. Daher sollte immer dann von einem In-sich-Prozeß
gesprochen werden, wenn sich Teile der Staatsgewalt i.S. Art.
20 Abs. 2 S. 1 GG vor Gericht gegenüberstehen, unabhängig davon,
ob es sich um Organe oder andere Stellen der öffentlichen Hand
handelt8. Denn in all diesen Fällen geht es darum, daß Meinungsverschiedenheiten,
die innerhalb der demokratisch legitimierten Staatsgewalt auftreten,
der Justiz zur Entscheidung übertragen werden - im Gegensatz zum
normalen verwaltungsgerichtlichen Prozeß, der das sog. Außenrechtsverhältnis
zwischen Staatsmacht und Bürger zum Ausgangspunkt hat9.
Bevor nun auf die Vielzahl der sehr kontrovers diskutierten Einzelprobleme
des In-sich-Prozesses eingegangen wird, können einige Fallgruppen
als irrelevant für die hier aufgeworfene Rechtsschutzfrage der
Gremien ausgeschieden werden: es geht nicht um ein durch Gesetz
eingeräumtes Klagerecht der Gremien gegen andere Stellen, die
staatliche Gewalt ausüben. Ebensowenig handelt es sich um Klagen
des Staates als Fiskus gegen den Staat als Hoheitsträger10. Schließlich soll nicht danach gefragt werden, ob die Gremien
befugt sind, gegen Entscheidungen anderer staatlicher Stellen
deswegen vorzugehen, weil diese sachlich unrichtig seien. Vielmehr
ist nur zu untersuchen, ob Gremien die Einhaltung ihrer Beteiligungsrechte
erzwingen können und ob sie wegen Verletzung dieser Beteiligungsrechte
gegen Entscheidungen vorgehen können: untersucht wird nur die
gerichtliche Bewehrung der Beteiligungsrechte. Damit fällt auch
die als Unterfall der Organstreitigkeiten behandelte Intraorganklage11 aus dem Rahmen der vorliegenden Untersuchung: die Rechte des
einzelnen Gremienmitglieds gegenüber dem Gremium auf Wahrung seiner
Mitgliedschaftsrechte stehen hier nicht zur Debatte.
2.2 Klagefähige (Innen-) Rechtspositionen
Generell wird aus dem Grundsatz der Einheit der Verwaltung das
grundsätzliche Verbot der In-sich-Prozesse abgeleitet12. Beispielhaft formulierte etwa das Bundesverwaltungsgericht:
"Behörden als solchen stehen grundsätzlich keine Anfechtungsmöglichkeiten
zu; sie haben Kompetenzen, aber keine eigenen Rechte"13. So kategorisch dieses Verbot des In-sich-Prozesses formuliert
ist, so anerkannt ist die Existenz von Ausnahmen14. Konsequent spricht das Bundesverwaltungsgericht heute davon,
daß ein "In-sich-Prozeß um seiner selbst willen vom Verwaltungsprozeßrecht
weder zugelassen noch ausgeschlossen" wird15. Neben den hier uninteressanten gesetzlichen Ausnahmen16 ist vor allem der Kommunalverfassungsstreit bzw. kommunale Organstreit
allgemein akzeptiert17.
Damit ist allerdings weder präzise bestimmt, was als kommunaler
Organstreit zulässig ist, noch eine Aussage über die Zulässigkeit
anderer Fallgruppen des In-sich-Prozesses getroffen.
Der verwaltungsgerichtliche In-sich-Prozeß scheitert jedenfalls
nicht an § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO, weil danach nur das Vorliegen
einer öffentlich-rechtlichen Streitigkeit, nicht aber eines Subordinationsverhältnisses
für das Beschreiten des Verwaltungsrechtswegs erforderlich ist18. Damit beschränkt sich sein Anwendungsbereich nicht auf das Außenrechtsverhältnis.
So sind auch der Gesamtrechtsordnung Innenrechtsstreitigkeiten
nicht fremd, wie aus Art. 93 Abs. 1 Nr. 1 GG ersichtlich ist19. Auch verlangt § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO nicht, daß der Streit um
subjektive öffentliche Rechte geführt wird20. Denn diese Norm gilt ebenfalls für die Normenkontrolle nach
§ 47 VwGO, die auch den Streit um die Geltung objektiven Rechts
einschließt21. Stattdessen verlangt § 42 Abs. 2 VwGO das Vorliegen subjektiv-öffentlicher
Rechte.
Damit ist zugleich die problematischste Frage des Komplexes des
In-sich-Prozesses angesprochen: aus dem Beteiligungsrecht muß
das Vorliegen einer klagebewehrten Rechtsposition abgeleitet werden
können. Hier ist nun freilich für sehr unterschiedliche Formulierungen
und Positionen Platz. Das fängt damit an, daß diese Fragestellung
von einer Meinung im Zusammenhang mit der Klagebefugnis22 erörtert, von anderer Seite auf die Beteiligtenfähigkeit bezogen23, von Dritter im Rahmen des Rechtsschutzinteresses untersucht
wird24. Diese Differenzen sind von untergeordneter Bedeutung wegen der
Interdependenz dieser Zulässigkeitsvoraussetzungen25: die Bejahung einer klagefähigen Rechtsposition im Rahmen der
Prüfung der Beteiligtenfähigkeit präjudiziert die Klagebefugnis
ebenso wie das Rechtsschutzbedürfnis und umgekehrt26.
Der Streit setzt sich fort bei der Frage, ob die Behauptung der
Verletzung in eigenen Rechten i.S. § 42 Abs. 2 VwGO nur auf die
Verletzung subjektiver Rechte27 gestützt werden kann oder ob eine sog. "wehrfähige Innenrechtsposition"
ausreicht28. Die Vertreter der letztgenannten Auffassung reservieren den
Begriff des subjektiven Rechts für den Außenrechtsbereich29. Aber auch diejenigen, welche mit dem Begriff des subjektiven
Rechts operieren, räumen ein, die Innenrechtspositionen hätten
zwar "die Qualität subjektiver öffentlicher Rechte, wobei jedoch
hinzugefügt wird, daß diese nicht identisch seien mit den subjektiven
öffentlichen Rechten des Außenrechtskreises"30. Damit wird der grundsätzliche Unterschied von Innen- und Außenrechtsbeziehungen
anerkannt. Da die Konzeption des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes
primär auf den Außenrechtskreis bezogen ist, was sich im Begriff
des subjektiven Rechts widerspiegelt31, müssen Streitigkeiten aus dem Innenbereich der staatlichen Gewalt
denjenigen im Außenrechtskreis gleichgestellt werden32, will man ihnen gerichtlichen Rechtsschutz zubilligen. Konsequenterweise
sind dann die zugrundeliegenden Innenrechtssätze wie solche des
Außenrechts zu behandeln: Normen des objektiven Rechts wie Kompetenzvorschriften
müssen dann quasi "versubjektiviert" werden, d.h. sie müssen wie
subjektive Rechte behandelt werden. Ob dann Innenrechtspositionen
als "subjektive öffentliche Rechte" oder als "wehrfähig" bezeichnet
werden, erscheint zweitrangig; relevant ist vor allem ihre Abgrenzung
von nicht-durchsetzbaren Innenrechtspositionen.
Jedenfalls handelt es sich bei diesen klagefähigen Rechtspositionen
nicht um subjektive Rechte der Art, wie sie einem Dritten Rechtsschutz
gegenüber einer Verletzung seiner (Beteiligungs-)rechte einräumen.
Wenn auch in beiden Fällen über den Terminus der "Verletzung in
eigenen Rechten" eine Abgrenzung zur - unzulässigen - Popularklage33 geleistet werden soll, ist der unterschiedlichen Ausgangslage
Rechnung zu tragen. Popularklage kann einmal bedeuten, daß irgendjemand
("quivis ex populo") ein Gerichtsverfahren einleiten will, ohne
in einer von der Rechtsordnung anerkannten Weise in Beziehung
zur angegriffenen Entscheidung der staatlichen Gewalt zu stehen34. Um dies auszuschließen, muß untersucht werden, ob es einen von
der Gesamtheit der Bevölkerung abgrenzbaren Kreis Betroffener
gibt, deren Position durch die Rechtsordnung besonders wehrfähig
ausgestaltet ist. Der Schwerpunkt der Fragestellung liegt hier
auf der Abgrenzung der Allgemeinheit von einem Kreis rechtlich
Bevorzugter, sozusagen der "Quasi-Adressaten" einer spezifischen
Rechtsnorm35. Diese muß darauf untersucht werden, ob sie es ermöglicht, einen
Kreis Betroffener abzugrenzen. Andererseits sollen Fallkonstellationen
ausgeschlossen werden, bei denen nicht die Abgrenzung einer Teilmenge
aus der Allgemeinheit, sondern die Stärke der diesem unproblematisch
zu bestimmenden Kreis von Quasi-Adressaten verliehenen Rechtsposition
problematisch ist36. So liegt es bei den Beteiligungsrechten der Gremien. Wer zu
beteiligen ist, ist in diesen Fällen unproblematisch: ein spezifisches
Gremium. Das Problem liegt vielmehr darin, ob seine Verfahrensposition
derart ausgestaltet ist, daß es berechtigt ist, über ein Verwaltungsgerichtsverfahren
Rechtsschutz gegen die Verletzung von Kompetenzen, die ihm gegenüber
kommunalen Stellen zustehen, zu erlangen.
In Rechtsprechung37 und Literatur38 wird auf - zumindest terminologisch - vielfältige Weise versucht,
solche klagefähigen Innenrechtspositionen bzw. klagefähigen subjektiven
Rechte zu definieren.
Einigkeit herrscht dabei insoweit, daß es immer dann an einer
klagefähigen Innenrechtsposition fehlt, wenn die streitenden Stellen
in einem Verhältnis der über-/Unter-Ordnung zueinander stehen,
wenn also eine der beiden Seiten der anderen inhaltliche Weisungen
erteilen kann39. Das gleiche gilt auch für Behörden, die zwar einander gleichgeordnet
sind, aber derselben Aufsichtsinstanz unterstehen40, ja für alle Behörden, deren Meinungsverschiedenheiten sich auf
dem Dienstweg ausräumen lassen, auch wenn sie verschiedenen Rechtssubjekten
angehören41. Dies folgt aus dem grundlegenden Organisationsprinzip der Einheit
der Verwaltung: die (vorgesetzte) Verwaltungsinstanz hat den Streit
nachgeordneter Instanzen durch verbindliche Weisungen zu entscheiden,
damit eine einheitliche, reibungslose Durchführung aller Verwaltungsaufgaben
gewährleistet wird42.
Positiv lassen sich die Voraussetzungen für die Einklagbarkeit
von Beteiligungsrechten der Gremien so beschreiben:
Das klagende Gremium muß Zurechnungsendsubjekt einer Innenrechtsposition
sein. Daran mangelt es, wenn es hinsichtlich dieser Position weisungsunterworfen
ist43 oder wenn andere Stellen seine Beschlüsse aufheben bzw. die Entscheidung
an sich ziehen können. Weiterhin muß diese interne Position die
gesetzliche Anerkennung von Interessengegensätzen zwischen dem
Gremium und der Stelle der staatlichen Gewalt, bei der es gebildet
ist und an deren Entscheidung bzw. Entscheidungsvorbereitung es
zu beteiligen ist, zum Ausdruck bringen44. Zur Umschreibung einer solchen Position eignet sich der Begriff
der Kontrastorgane45, sofern er nicht auf den (kommunal-oder hochschulrechtlichen)
Begriff des Organs beschränkt wird. Allgemein anerkannt ist dabei,
daß Organe der Gemeinden wie die Gemeindevertretung und der Gemeindevorstand,
aber auch Teile von ihnen wie die Ausschüsse der Gemeindevertretung
als Kontrastorgane generell klagefähige Innenrechtspositionen
besitzen46.
Neben diesen Kommunalorganen sind auch diejenigen Gremien miteinzubeziehen,
denen eigens die Aufgabe anvertraut wurde, spezifische Bereiche
des öffentlichen Interesses in einer Weise zum Ausdruck zu bringen,
der die Vorstellung des Austragens unterschiedlicher Interessen
zugrundeliegt47. Denn mit der organisationsrechtlichen Zuweisung bestimmter Funktionen
wird eine Förderung des pluralistisch strukturierten Willensbildungsprozesses
sowie eine Ausbalancierung unterschiedlicher Positionen angestrebt48. Dann ist ihnen durch die Rechtsordnung ein Aspekt des Gesamtinteresses
zur Betreuung zugewiesen, welches wie ein eigenes partikulares
Interesse gegen Beeinträchtigungen verteidigt werden kann. Aus
der Zusammensetzung (dazu unten 2.2.1) und der Aufgabenstellung
(dazu unten 2.2.2) muß erkennbar sein, daß es sich nicht lediglich
um bloße Ressortinteressen handelt.
2.2.1 Zusammensetzung der Gremien
Verfolgt die Zusammensetzung eines Gremiums den Zweck, externen
Sachverstand und die hinter diesem stehenden Interessen einzubinden,
wird gerade das Spannungsverhältnis zwischen verwaltungsinternen
und -externen Standpunkten fruchtbar gemacht zur Gewinnung des
öffentlichen Wohls.
Das trifft auf alle diejenigen Gremien zu, die zu einem nicht
unbeträchtlichen Teil aus Privaten gebildet sind49; selbst den Gremien mit einer Minderheit von Privaten50 ist die Position der Wahrung spezifischer sachlicher Interessen
zur Aufgabe gemacht, zu deren Bestimmung gerade die Privaten miteinbezogen
wurden. Dies gilt allerdings nur dann, wenn der Anteil der Privaten
nicht gänzlich oder weitgehend ins Belieben der Kommune gestellt
wurde. Denn wenn es danach der Kommune möglich ist, deren Zahl
auf ein Minimum oder auf Null zu reduzieren, kann kein gesetzgeberischer
Wille erkannt werden, die Austragung von Interessengegensätzen
institutionell abzusichern.
Keine Kontrastorgane sind wegen einer weitgehend ins Belieben
der Gemeinde gestellten Zusammensetzung etwa die hessischen Kommissionen,
§ 72 HGO, die Polizeibeiräte in Nordrhein-Westfalen, § 15 NWPOG,
sowie die Schulpflegschaften in Schleswig-Holstein, § 56 Abs.
1 SHSchG.
Ebensowenig können diejenigen Gremien als Kontrastorgane bezeichnet
werden, bei denen Private nur beratende Mitgliedschaftsrechte
besitzen51.
2.2.2 Beteiligungsrechte der Gremien
Hinzukommen muß allerdings noch, daß die den Gremien eingeräumten
Aufgaben und Befugnisse die gesetzliche Anerkennung des Interessenwiderspruchs
zu der Stelle, bei der sie angesiedelt sind, zum Ausdruck bringen
muß. Den Gremien sind recht unterschiedliche Beteiligungsrechte
eingeräumt. Sie reichen vom Informationsrecht52 und die praktisch allen Gremien eingeräumte Beratungsfunktion53 über Anhörungsrechte54 bis hin zur Widerspruchsmöglichkeit55. Gelegentlich muß zwischen der Behörde und dem Gremium Einvernehmen
hergestellt werden56. In einigen Fällen haben Gremien ein Antragsrecht an die Gemeindevertretung57. Besondere Bedeutung besitzen Entscheidungsrechte. In diesem
Fall hat das Gremium die Kompetenz, Entscheidungen mit Rechtswirkungen
für die Kommune zu treffen58.
Das Informationsrecht ist den Gremien immer zur Durchsetzung seiner
weiteren Rechte eingeräumt; aus ihm kann nicht auf die Betonung
der Kontraststellung geschlossen werden. Denn damit kann auch
ein gegenseitiger Informationsaustausch angeregt werden, wonach
das Ziel der Beteiligung allein in der Unterstützung der Kommune,
der Verbesserung ihrer Entscheidung, liegt. Einklagbar sind Informationsrechte
nur von den Gremien, die wegen der Einräumung weiterer Rechte
bereits die Stellung eines Kontrastorgans besitzen59. Denn weil diese Gremien ihre Beteiligungsrechte ohne die erforderliche
Information nicht wahrnehmen können, müssen sie auch die Information
einklagen können, wenn und soweit die weiteren Beteiligungsrechte
klagebewehrt sind.
Schließlich kann auch ein Beratungsrecht einem Gremium nicht die
Stellung eines Kontrastorgans verleihen. Das folgt aus seinem
unverbindlichen Charakter wie auch dem fehlenden Bezug zu einer
spezifischen Sachentscheidung. Darin liegt keine organisatorische
Verselbständigung von Teilen des Allgemeinwohls, welches wie ein
eigenes partikulares Interesse gegen Beeinträchtigungen verteidigt
werden kann60.
Anders liegt es hingegen beim Anhörungsrecht. Ein rechtlich bindender
Einfluß auf das Ergebnis der Sachentscheidung wird durch das Anhörungsrecht
zwar nicht eingeräumt, doch ist die Anhörung einer spezifischen
Sachentscheidung zwingend vorgelagert. Aus dem zwingenden Charakter
der Anhörung in Bezug auf diese Sachentscheidung kann auf eine
Förderung des pluralistisch strukturierten Willensbildungsprozesses
sowie der Ausbalancierung unterschiedlicher Positionen zwischen
dem Gremium und der Stelle, der es zugeordnet ist, geschlossen
werden. Das gleiche gilt für das Einvernehmen, den Widerspruch
sowie die Entscheidungsrechte, weil den Gremien mit diesen ein
(unterschiedlich starker) Einfluß auf die Sachentscheidung und
damit eine gegenüber dem Anhörungsrecht noch verstärkte Position
eingeräumt wird. Das Recht, die Befassung der Gemeindevertretung
mit einer Sache einleiten zu können (Antragsrecht), verleiht Einfluß
auf den Gang des Willensbildungsprozesses der Gemeindevertretung;
auch darin liegt eine klagefähige Innenrechtsposition.
Für die Ausschüsse, welche als Teile des Kontrastorgans Gemeindevertretung
generell über klagefähige Innenrechtspositionen verfügen, muß
ebenfalls geprüft werden, ob ihnen durch Gesetz mehr als bloß
unverbindliche Beteiligungsrechte eingeräumt sind. Ist dies nicht
der Fall, können sie nicht gegen ein anderes Gemeindeorgan klagen,
um das Beteiligungsrecht durchzusetzen.
Es kann schließlich dann nicht von einem Kontrastorgan gesprochen
werden, wenn seine Entscheidung von einer übergeordneten Stelle
aufgehoben und durch eine andere ersetzt werden kann, wie dies
etwa für den Lastenausgleichsausschuß gilt: der weisungsunterworfene
Vertreter der Interessen des Ausgleichsfonds kann Beschwerde gegen
Ausschußentscheidungen einlegen mit der Folge, daß die Entscheidungsbefugnis
auf den Beschwerdeausschuß übergeht, § 336 Abs. 1 LAG.
Sieht eine Rechtsvorschrift indes ein Beanstandungsrecht nur gegenüber
rechtswidrigen Beschlüssen vor, beseitigt dies nicht die Stellung
als Kontrastorgan61. Im Gegenteil kann eher von einer Betonung des eigenständigen
Charakters des Gremiums gesprochen werden: seine Entscheidungen
sind gegenüber Eingriffen der Aufsicht frei und geschützt, sofern
sie nicht geltendes Recht verletzen. Damit ist ein Verhältnis
ähnlich der Kommunalaufsicht gegenüber der Gemeinde oder der Beanstandung
von Beschlüssen der Gemeindevertretung durch den Gemeindevorstand
installiert; ergangene Beanstandungen können dann sehr wohl Gegenstand
von Verwaltungsgerichtsprozessen sein62.
Den Gremien, die die Stellung eines Kontrastorgans innehaben, wird
die Fähigkeit, am Verfahren beteiligt zu sein, über eine analoge
Anwendung des § 61 Nr. 2 VwGO zugesprochen63, es sei denn, sie sind als Behörden zu qualifizieren, die unter
§ 61 Nr. 3 VwGO fallen64.
Als Klagearten werden die Feststellungs-65 und Leistungsklage herangezogen66. Sofern die Innenrechtspositionen in Streit stehen, kommt eine
Anfechtungsklage nicht in Betracht, da insoweit mangels Außenwirkung
keine Verwaltungsakte vorliegen67. Hat indes die durch eine Rechtsnorm vorgeschriebene Beteiligung
eines Gremiums am Erlaß eines Verwaltungsaktes durch eine Behörde
nicht ordnungsgemäß stattgefunden, kann der rechtswidrig zustandegekommene
Verwaltungsakt durch Anfechtungsklage angegriffen werden68.
3. Normenkontrolle durch Gremien
Daneben kann noch die Normenkontrolle zur Anwendung gelangen, wenn
im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschriften, insbesondere
Satzungen nach BauGB oder Schutzverordnungen nach Naturschutz-
oder Denkmalpflegerecht, wegen der fehlenden Beteiligung angegriffen
werden sollen. Sind Gremien als Behörden zu qualifizieren, die
mit der Ausführung der Norm befaßt sind69 oder auf die diese bei ihrer amtlichen Tätigkeit Anwendung findet70, sind sie nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO antragsbefugt.
Es muß sich also um Gremien handeln, die an der entsprechenden
Normsetzung zu beteiligen sind und auf die diese Normen Anwendung
finden. Die meisten Gremien sind nicht an der Normsetzung beteiligt.
An der Aufstellung von Verordnungen und Satzungen wirken die Gremien
im hessischen und bayerischen Naturschutzrecht mit; sie sind an
Entscheidungen über Ausnahmen und Befreiungen von diesen beteiligt71. Das dem Jugendhilfeausschuß eingeräumte Anhörungsrecht kann
sich auch auf den Erlaß von Satzungen durch die Gemeindevertretung
beziehen, die dann auf ihn anwendbar sind (etwa die Jugendamtssatzung)
oder von ihm ausgeführt werden müssen (etwa Satzungen, die die
Verteilung von Geldern durch den Jugendhilfeausschuß regeln).
Diese Gremien können dann gegen entsprechende Rechtsvorschriften
im Wege der Normenkontrolle vorgehen, wenn sie Behörden i.S. §
47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sind. Nun bestimmt sich dieser Behördenbegriff
nach der funktionalen, weit gefaßten Definition in § 1 Abs. 4
VwVfG als Stelle, die Aufgaben der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt72, weil die änderung des § 47 VwGO zeitlich parallel zum VwVfG
beraten wurde73. Darunter können auch Gremien fallen74, auf die Bezeichnung einer Stelle als Behörde kommt es nicht
an75. Allerdings wird von der Mehrzahl in Literatur76 und Rechtsprechung77 die Voraussetzung der Außenwirkung aufgestellt. Als Behörde könne
nur eine nach außen selbständig handelnde Einheit gelten, die
befugt sei, in den Rechtskreis von Privaten einzugreifen. Stellen,
die nur die Entscheidung anderer Behörden vorzubereiten hätten
oder deren Entscheidung nicht im eigenen, sondern im Namen der
Behörde, der sie eingegliedert sind, ergehen78, seien als unselbständige Behördenteile zu bewerten79.
Die hierfür gegebene Begründung, das VwVfG regele nur die Tätigkeit
der Verwaltungsbehörden nach außen80, überzeugt indes nicht. Denn es enthält Vorschriften, die die
interne Beteiligung von Behörden am Verfahren einer anderen Behörde
regeln (§§ 44 Abs. 3 Nr. 4, 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG)81. Darüberhinaus ist die Anwendung von Vorschriften des VwVfG auch
auf Einrichtungen ohne Außenzuständigkeiten (z.B. für Verträge
zwischen Forschungsinstituten) sinnvoll82.
Der Behördenbegriff ist daher unabhängig davon zu bestimmen, ob
die Stelle nach außen tätig wird oder nicht83.
Zu fragen ist vielmehr danach, ob das Gremium in die Behörde eingegliedert
oder einer Behörde nur neben- bzw. zugeordnet ist84. Als wichtiges Indiz ist bei der Abgrenzung auf die personelle
Zusammensetzung und Aufgabenstellung abzustellen. Daher können
Gremien, die ganz oder zum Teil aus Interessenvertretern gebildet
sind, nicht als Bestandteil der Behörde gelten, der gegenüber
sie bestimmte Interessen vertreten sollen85. Diese besitzen das für eine Behörde erforderliche Maß an Selbständigkeit,
weil sie befugt sind, im eigenen Namen anderen Behörden gegenüber
aufzutreten86. So liegt es bei den Beiräten nach Naturschutzrecht in Bayern
und Hessen wie auch beim Jugendhilfeausschuß87. Alle drei Gremien sind durch die Art ihrer Beteiligungsrechte
wie auch ihre Zusammensetzung mit Vertretern von Vereinigungen
durch den Gesetzgeber in die Rolle von Kontrastorganen eingewiesen
worden, denen die Vertretung spezifischer Interessen gegenüber
der Behörde zugewiesen wurde. Wenn ihnen aus dieser Stellung eine
wehrfähige Innenrechtsposition erwächst, die sie zur Erhebung
einer Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage ermächtigt, an deren
Zulässigkeitsanforderungen strengere Maßstäbe anzulegen sind,
muß diese auch genügen für die Antragsbefugnis nach § 47 Abs.
1 Nr. 2 VwGO. Dies steht auch in Einklang mit dem Sinn der Antragsbefugnis
für Behörden: sie sollen in die Lage versetzt werden, ihre verfassungsrechtliche
Verpflichtung zu gesetzmäßigem Handeln einzuhalten. Halten sie
Normen für rechtswidrig, sollen sie nicht gezwungen sein, durch
deren Anwendung selbst rechtswidrig zu handeln88.
Damit können etwa eingeklagt werden