Vorbemerkung
Vielfach ist zu beobachten, daß in den Kommunen Formen der Beratung, vor allem durch Bildung von Gremien, installiert werden, die in den Gemeindeordnungen nicht vorgesehen sind. Damit wird ein Meinungsaustausch zwischen Vertretern der Kommune (Gemeindevertretern oder Verwaltungsangehörigen) und Privaten institutionalisiert. Bei den Privaten handelt es sich meistens um Vertreter der betroffenen Bevölkerungskreise, also der Vereine, Verbände, etc. (im folgenden kurz: Vereinigungen1). Welche rechtlichen Grenzen dabei zu beachten sind, wird im folgenden dargestellt.
Die Einführung von Beteiligungsregelungen im kommunalen Bereich stellt sich als eine Frage der Organisation der Willensbildung in der Gemeinde mit zwei Zielrichtungen dar: der Beteiligung im Bereich der Gemeindeverwaltung sowie der Gemeindevertretung. Damit wird die Frage nach dem Umfang der Berechtigung der Kommunen zur Regelung ihrer Organisation, also der Reichweite der kommunalen Organisationshoheit, aufgeworfen.
Weitgehend akzeptiert ist dabei die Feststellung, daß die durch Art. 28 Abs. 2 GG und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen2 geschützte Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden ihre Befugnis zur Selbstorganisation (sog. Organisationshoheit) mit umfaßt3.
Zur Bestimmung der Bedeutung dieser Aussage ist auf die Vorschrift des Art. 28 Abs. 2 GG näher einzugehen.
Inhaltsverzeichnis
1. Kommunale Aufgaben und Organisationshoheit
2. Organisationshoheit als Eigengestaltungsbefugnis
3. "im Rahmen der Gesetze"
3.1 Unzulässigkeit der Einrichtung von Beteiligungsformen mit
Entscheidungskompetenzen
3.2 Zulässigkeit der Beratung
3.2.1 Beratung der Gemeindevertretung
3.2.1.1 Anhörung (Hearing)
3.2.1.2 Antragsrecht
3.2.2 Beratung der Exekutivspitze
3.3 Zulässigkeit beratender Gremien
3.3.1 Beratung der Gemeindevertretung
3.3.2 Beratung des Gemeindevorstandes
3.3.3 Beratung von Gemeindevertretung und Gemeindevorstand
4. Ergebnis
Fußnoten
1. Kommunale Aufgaben und Organisationshoheit
Der sachliche Anwendungsbereich der Organisationshoheit kann nicht weiter reichen als derjenige der Selbstverwaltungsgarantie, aus welcher sie abgeleitet ist: der Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 S. 1 GG erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Die Organisationshoheit erfaßt über die Selbstverwaltungsangelegenheiten (freiwillige wie pflichtige) hinaus auch die Organisation der Erledigung staatlicher Auftragsangelegenheiten4, sofern keine Weisungen erteilt wurden5. Denn die Organisationshoheit kann nicht auf eine bloße Hilfsfunktion der Sachaufgabenerledigung reduziert werden, sondern besitzt einen von den Selbstverwaltungsaufgaben losgelösten Stellenwert, weil auch die Zuweisung von Auftragsangelegenheiten einen beträchtlichen Eingriff in die Organisation und den Entscheidungsablauf der Kommunalverwaltung darstellt6.
2. Organisationshoheit als Eigengestaltungsbefugnis
Aus den Worten "in eigener Verantwortung" in Art. 28 Abs. 2 S.
1 GG, der sog. Eigenverantwortlichkeit, ergibt sich die gemeindliche
Eigengestaltungsfreiheit in organisatorischer Hinsicht7, weil eine eigenverantwortliche Aufgabenerledigung im Sinne der
Selbstverwaltung ohne Organisationshoheit nicht möglich ist8. Die Betätigung der Organisationskompetenzen ermöglicht erst
die Erfüllung anderer Verwaltungsaufgaben9, indem sie die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für die ordnungsgemäße
Wahrnehmung der den Gemeinden obliegenden Aufgaben schafft10.
Der Sinn der Eigenverantwortlichkeit besteht also in der Freiheit,
die örtlichen Aufgaben so zu erfüllen, wie es die Gemeinde für
richtig hält und den Weg einzuschlagen, der ihr am besten und
zweckmäßigsten erscheint11. Insofern hat ihr Art. 28 Abs. 2 GG volle politische Gestaltungsfreiheit
eingeräumt. Das bedeutet nichts anderes, als daß sich die Gemeindebürger
nach selbst gestellten Leitbildern frei entfalten sollen12.
Unter Organisationshoheit muß ganz allgemein die Verwirklichung
des Gemeinde-Willens mit gemeindeeigenen Mitteln verstanden werden13. Hierzu zählt die eigenverantwortliche Gestaltung der inneren
Organisation der Gemeinde14. Diese innere Verwaltungsorganisation umfaßt die Kompetenz zur
Bildung, Errichtung, Einrichtung, änderung oder Aufhebung von
Gliedern und Organen, die Bestimmung ihrer Zuständigkeiten, Zusammenhänge
und inneren Ordnung15, mit anderen Worten die Befugnis, die Aufbau- und Ablauforganisation
der Kommunalverwaltung generell zu gestalten und konkrete Organisationsmaßnahmen
zu treffen16. Aber auch alle diejenigen Maßnahmen, die nicht nur der zweckmäßigen
Ordnung der Verwaltung, sondern auch dem sicheren und effizienten
Ablauf ihrer Tätigkeit dienen, fallen unter die Organisationshoheit17.
Zur kommunalen Organisationshoheit werden beispielsweise gezählt:
die Einrichtung von Dienststellen18, Abteilungen19 und Außenstellen20,
die Bildung von Organen21 und die Zuweisung von Kompetenzen an Organe22,
die Errichtung von Ausschüssen23 und ihre Zusammensetzung24, die Errichtung von Eigenbetrieben25,
das Recht zur eigenverantwortlichen Gestaltung des Gemeindeverwaltungsaufbaus
sowie des Geschäftsablaufs26,
die Bestimmung der zur Bearbeitung von Auftragsangelegenheiten
zuständigen Abteilung27,
die Regelung von Beteiligungsrechten politisch oder fachlich besetzter
Gremien28,
die Einsetzung von Gleichstellungsbeauftragten29.
Nach all dem fällt auch die Installierung neuer Formen der Beteiligung
von Privaten sowohl im Bereich der Verwaltung wie auch der Gemeindevertretung
in den Schutzbereich der gemeindlichen Organisationshoheit30.
Die Organisationshoheit als Teil der Selbstverwaltungsgarantie
ist durch die Worte "im Rahmen der Gesetze" in Art. 28 Abs. 2
GG unter einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt gestellt31.
Dem Landesgesetzgeber steht die Befugnis zur Regelung des Kommunalrechts
zu32. Zwar ist diese Regelungsbefugnis nicht unbeschränkt gegeben,
doch verletzen nach übereinstimmender Meinung die Gemeindeordnungen
die Selbstverwaltungsgarantie nicht33. Der Staat kann damit typischerweise das Vorhandensein und die
Bildung der Gemeindeorgane, ihre Kompetenzabgrenzung, Willensbildung
und Außenvertretungsverhältnisse regeln34. Damit stehen sich die unter verfassungsrechtlich geschützte
kommunale Organisationshoheit und die Kompetenz der Länder zur
Regelung von Verfassung und Organisation kommunaler Einrichtungen
gegenüber35.
Das bedeutet für den Umfang der den Gemeinden verfassungsrechtlich
garantierten Organisationshoheit, daß die Organisation der Gemeinden
zwar grundsätzlich der kommunalen Gestaltungsfreiheit unterliegt,
den Gemeinden jedoch die Befugnis zur Gestaltung ihrer Eigenverwaltung
genommen ist, soweit der Regelungsgehalt der Gemeindeordnungen
den Organisationsgegenstand abdeckt36. Deshalb ist zu untersuchen, wieweit die Organisationshoheit
der Gemeinden durch die Gemeindeordnungen beschränkt wird, in
welchem Umfang also die Gemeindeordnungen den hier interessierenden
Organisationsbereich abschließend und damit für kommunale Regelungen
sperrend regeln37.
Da der Gesetzgeber die äußere Organisation abschließend geregelt
hat, kommt die Dispositionsfreiheit der Gemeinden nur insoweit
zum Zuge, als der Gesetzgeber für sie Bereiche zur weiteren inhaltlichen
Ausfüllung offen gehalten hat38. Daher liegt heute im Bereich der inneren Aufbau- und Ablauforganisation
der Schwerpunkt der Organisationshoheit39. Die innere Organisation umfaßt die Gliederung des Verwaltungsaufbaus;
zu ihm gehören die Bildung freiwilliger Ausschüsse, Organisations-,
Stellen-, Aktenpläne sowie die Kompetenzverteilung innerhalb der
Verwaltung40, aber auch die Regelung von Beteiligungsrechten politisch oder
fachlich besetzter Gremien41.
Weil die Kompetenz der Gemeinde zur Ausfüllung von Freiräumen
in den Gemeindeordnungen aus der Selbstverwaltungsgarantie erwächst42, sind die gesetzlichen Einschränkungen der kommunalen Organisationshoheit
eng auszulegen. Im Zweifel ist anzunehmen, daß Regelungslücken
in den Gemeindeordnungen keine abschließende (Nicht-) Regelung
einer Materie bedeuten43. Es müssen sich zusätzliche Anhaltspunkte dafür ergeben, daß
der Gesetzgeber auf Vorschriften verzichtete, um eine bestimmte
Materie auch gegenüber kommunalen Organisationsentscheidungen
zu sperren44.
3.1 Unzulässigkeit der Beteiligung Privater am Treffen von Entscheidungen
Wegen der insoweit abschließenden Festsetzungen der Gemeindeordnungen
ist die Beteiligung von Privaten am Treffen von Entscheidungen
unzulässig45.
Denn die Gemeindeordnungen aller Länder weisen die Zuständigkeiten
für das Treffen von Entscheidungen innerhalb einer Gemeinde in
komplexen Vorschriften den Gemeindeorganen jeweils mit ausschließlicher
Wirkung zu46. So hat etwa das Verwaltungsgericht Schleswig47 für die Gemeindeordnung Schleswig-Holstein festgestellt, daß
keine Dritten an einer vom zuständigen Organ gefällten Entscheidung
mitwirken dürfen. Nur wenige Bundesländer lassen ausnahmsweise
die direkte Entscheidung der Bürger an Stelle der Gemeindeorgane
durch Bürgerentscheid und Bürgerbegehren zu (vgl. etwa § 21 bad.-württ.
GO, § 16 g schl.-holst. GO, § 8 b hess. GO). Abgesehen hiervon
ist eine direkte Bürgerbeteiligung an der Entscheidung selbst
nicht vorgesehen. Der gesamte Entscheidungsprozeß ist damit gemeindlicher
Partizipationserfindungskompetenz entzogen48. Soweit jedoch nicht die Beeinträchtigung von Entscheidungszuständigkeiten
zu befürchten ist, verbleibt den Gemeinden ein Spielraum für die
Einrichtung von Beteiligungsformen. Daher muß von der geschützten
Phase der Entscheidung ("Willensbildung" des Organs49) der Bereich der Entscheidungsvorbereitung ("Meinungsbildung"
des Mitglieds) abgegrenzt werden50.
Im Bereich der Entscheidungen, die den Gemeindevertretungen vorbehalten
sind, umfaßt die geschützte Phase der Entscheidung nicht nur den
Abstimmungsvorgang, sondern auch die der Beschlußfassung unmittelbar
vorgelagerte Beratung im Plenum und den Ausschüssen51. Eine Teilnahme hieran ist allein den Mitgliedern vorbehalten,
sofern die Gemeindeordnungen nichts anderes regeln. Den Bereich
der Mitgliedschaftsrechte in Ausschüssen und Plenum der Gemeindevertretung
(Erwerb, Rederecht, Teilnahme an der Beschlußfassung etc.) hat
der Gesetzgeber derart ausführlich geregelt, daß von ihrem abschließenden
Charakter ausgegangen werden muß52. Die Gemeindevertretung kann daher keinen anderen Personen eine
mitgliedschaftliche Stellung einräumen als von der jeweiligen
Gemeindeordnung vorgesehen (Private im Gegensatz zu Gemeindevertretern
und z.T. noch sog. sachkundigen Bürgern/Einwohner). Solche Privaten
können daher weder in den Ausschüssen noch in der Gemeindevertretung
Stimm- oder Rederechte erhalten53. Auch die dem Gemeindevorstand zugewiesenen Entscheidungszuständigkeiten
können nicht Privaten überlassen werden. Denn die Zuständigkeitszuweisung
dient auch dem Ausschluß anderer als der Zuständigen von der Entscheidung54. Hiernach muß die Verantwortung für die getroffene Entscheidung
beim Gemeindevorstand liegen; allen anderen sind rechtliche Einflußmöglichkeiten
auf jene Entscheidungen verwehrt.
Nicht zur Entscheidungsphase in diesem Sinn, sondern zur Vorbereitung
der Entscheidung gehört die Verschaffung der für die Sachentscheidung
unentbehrlichen Informationen55. Die Gemeinden sind durch die Festsetzungen der Gemeindeordnungen
nicht daran gehindert, eigenständige Verfahrensweisen zur Informationsbeschaffung
zu entwickeln56, sofern die innergemeindlichen Kompetenzzuordnungen beachtet
werden: die Gemeindevertretung kann das Verwaltungsverfahren im
Bereich der dem Gemeindevorstand zugewiesenen (Verwaltungs-) Aufgaben
nicht vorschreiben57, ebensowenig wie umgekehrt der Gemeindevorstand im Zuständigkeitsbereich
der Gemeindevertretung solche Verfahren schaffen darf58.
Zur Einführung von Beratungsmechanismen ist die Gemeinde aufgrund
ihrer verfassungsrechtlich geschützten Organisationshoheit59 auch ohne spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage befugt.
Aus der durch Art. 20 Abs. 3 GG statuierten Bindung der Verwaltung
an Recht und Gesetz kann kein Verbot jeglicher nicht ausdrücklich
durch Gesetz zugelassener Verwaltungstätigkeit gefolgert werden60. Für einen derartigen Totalvorbehalt des Gesetzes gibt die Formulierung
des Art. 20 Abs. 3 GG keinen Anlaß61. Wenn auch vieles dafür spricht, nicht nur für Eingriffe der
Verwaltung in die Rechtssphäre des Bürgers, sondern auch für die
Gewährung von Leistungen an ihn eine gesetzliche Grundlage zu
fordern62, muß der Verwaltung ihre innere Organisation und damit die Methode
der Informationsbeschaffung zur Erledigung ihrer Aufgaben grundsätzlich
freigestellt bleiben. Eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
wird mit dem Bundesverfassungsgericht nur dort als erforderlich
anzusehen sein, wo Organisationsentscheidungen überhaupt Wirkungen
für den grundrechtlich geschützten Bereich Dritter entfalten können63 oder Grundstrukturen der institutionellen Ordnung (institutioneller
Gesetzesvorbehalt) berühren64. Die Schaffung beratender Kollegialorgane und die Heranziehung
von privaten Mitgliedern ist hingegen den bloßen "Methoden des
Verwaltens" und damit der freien Sphäre der administrativen Tätigkeit
zuzuordnen65. Erst wenn der Private zur Teilnahme verpflichtet werden soll,
bedarf es einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage hierfür66.
Weil diese Beratung nur im Bereich der Entscheidungsvorbereitung
stattfindet, müssen die Berater nicht demokratisch legitimiert
sein. Art. 20 Abs. 2 GG bezweckt die Bindung des gesamten staatlichen
Handelns an den Willen des Volkes. Unter Ausübung staatlicher
Gewalt im Sinne dieser Vorschrift ist indes nur die staatliche
Entscheidung zu verstehen67. Denn die demokratisch legitimierten Organe der Kommune unterwerfen
sich der Beratung nicht, sondern entscheiden selbst; sie unterliegen
keinerlei rechtlicher Bindung ihrer Entscheidung und üben daher
allein die staatliche Gewalt aus.
3.2.1 Beratung der Gemeindevertretung
Als formelle Quelle für Informationen sehen die Gemeindeordnungen den Gemeindevorstand vor68. Weitere Informationen über die örtliche Situation und die Auffassung der Gemeindeeinwohner bringen die Parteien über ihre Kontakte mit der Bevölkerung ein. Daneben kann zur Vorbereitung besonders bedeutsamer Entscheidungen eine zusätzliche Beratung durch externen Sachverstand erforderlich werden.
Damit ist vor allem eine Form der Informationsbeschaffung gemeint,
die im Parlamentsrecht unter dem Begriff des Hearings bekannt
ist. Gemäß § 70 GOBT kann ein Ausschub in einer sog. öffentlichen
Anhörungssitzung Sachverständige, Interessenvertreter und andere
Auskunftspersonen zu einem Gegenstand seiner Beratung vernehmen,
eine allgemeine Aussprache mit den Auskunftspersonen ist möglich69. In den Gemeindeordnungen der Mehrzahl der Bundesländer sind
vergleichbare Regelungen getroffen70. Aber auch ohne derartige Vorschriften sind solche Anhörungen
aus der Organisationshoheit der Gemeinden heraus zulässig71. Diese Form der Informationsbeschaffung war in anderen Bundesländern
- zulässige - Praxis, bevor die Gemeindeordnungen sie legalisierten72. Sie findet ihre Begründung darin, daß die Eröffnung einer Informationsquelle,
die nicht von den Interessen der Verwaltung dominiert wird73, die Stellung der Gemeindevertretung gegenüber der Verwaltung
stärkt74. Außerdem kann eine Anhörung in der Gemeinde sonst nicht vorhandenen
Sachverstand in die kommunale Diskussion einführen. Der Informationsstand
der Gemeindevertreter wird durch eine Anhörung verbessert - auch
über die Einstellung der (betroffenen) Bevölkerung75, was besonders durch die Teilnahme von Vertretern der betroffenen
Bevölkerungskreise (Vereinigungen) erreicht wird. Deswegen kann
eine Anhörung, zu der nur Einzelpersonen zugelassen werden, die
zumindest eine Beeinträchtigung eigener Interessen von Erheblichkeit
geltend machen können76, ihre Funktionen nur zum Teil erfüllen. Wird sie unter Beteiligung
aller interessierten Einzelpersonen und Gruppen durchgeführt,
kann sie dazu beitragen, dab alle Beteiligten, Politiker wie Einwohner,
die Probleme einer spezifischen Sachentscheidung in ihrer vollen
Breite erkennen77; Diskussionen und Sachentscheidungen können dadurch versachlicht
werden78. Darüberhinaus will die Anhörung dem Interesse des Bürgers an
der Kommunalpolitik gerecht werden, indem sie einen Teil des parlamentarischen
Entscheidungsprozesses transparenter macht79, ein Gesichtspunkt, der auch für die Bürgerfragestunden80 von Bedeutung ist. Daher muß ein Ausschluß der Vereine und Verbände
(Vereinigungen) von den Hearings abgelehnt werden81. Schließlich werden Einzelpersonen und Vereinigungen, welche
eine starke Position in der Kommune haben, auch ohne Anhörung,
also informell, in die Entscheidungsvorbereitung eingebunden,
ohne dabei allerdings ihre Argumente der öffentlichkeit vorstellen
zu müssen82. Dadurch würde also gerade der demokratisch nicht kontrollierte
Einfluß der sozial mächtigen Personen und Gruppen in der Gemeinde
gestärkt. Dem kann nur durch eine öffnung der Anhörung für alle
interessierten Bürger und Vereinigungen begegnet werden. Beschränkungen
des Kreises der anzuhörenden Personen, die dem Verwaltungsverfahrensrecht
entstammen83, vermögen dem politischen Charakter der Gemeindevertretung nicht
gerecht zu werden84. Ob die anzuhörenden Personen über Sachkunde verfügen, hat die
anhörende Stelle zu entscheiden; sie kann sich die ihrer Meinung
nach vielversprechendsten Informanten aussuchen. Wäre die Anhörung
von Personen, die lediglich von einer Maßnahme betroffen sind
und darüberhinaus nicht über eine besondere Sachkunde verfügen,
rechtlich unzulässig85, könnte der Gemeindevorstand über sein Beanstandungsrecht Einfluß
auch auf diese Form der Informationsbeschaffung der Gemeindevertretung
ausüben.
Soweit die Angehörten dabei ihre Auffassungen und Meinungen durch
Statements oder Fragen darlegen, ohne mit den Gemeindevertretern
in eine Diskussion hierüber einzutreten, wird die Entscheidungsphase
nicht berührt. Etwas anderes gilt, wenn eine Erörterung mit den
Interessenvertretern vorgesehen ist (wie in § 35 Abs. 2 rheinl.-pfälz.
GO)86, die der Beschlußfassung der Gemeindevertretung unmittelbar vorgelagert
ist - etwa in der gleichen Sitzung stattfindet87. Derartige Eingriffe in die Entscheidungsphase sind den Gemeinden
verwehrt88. Damit ist es unvereinbar, wenn die Gemeindevertretung die Auffassungen
eines angehörten Gremiums nur mit einem Quorum, etwa von zwei
Dritteln ihrer anwesenden Mitglieder, zurückweisen darf89.
Soweit Bürgerfragestunden sich in der Beantwortung von Fragen
erschöpfen und nicht in eine Diskussion zwischen Bürgern und Gemeindevertretern
münden, bedarf es zu ihrer Einrichtung in der Kommune keiner gesetzlichen
Regelung90.
Aus der Anordnung der Nicht-öffentlichkeit der Sitzung91 kann kein Verbot der Anhörung oder Bürgerfragestunden hergeleitet
werden. Denn hiervon können Ausnahmen beschlossen werden92; zumal die Anhörung auch in der Weise durchgeführt werden kann,
dab einzelne Personen nur zu dem betreffenden Tagesordnungspunkt
eingeladen werden, was keine Aufhebung der Nicht-öffentlichkeit
bedeutet - schließlich findet die Beratung sowie die Beschlußfassung
unter Ausschluß der angehörten Personen statt93.
Die Gemeinden haben bei der konkreten Ausgestaltung solcher Informationsformen
dafür Sorge zu tragen, daß das gewählte Verfahren nicht die Entscheidungsphase
beeinträchtigt94.
Hingegen ist es unzulässig, Vereinigungen als Zusammenschlüssen
von Privaten (oder selbstgebildeten Gremien mit Beteiligung von
Privaten) das Recht einzuräumen, die Behandlung eines spezifischen
Verhandlungsgegenstandes in der Gemeindevertretung zu erzwingen
(sog. Antragsrecht)95. Denn dies wird in allen Gemeindeordnungen durch derart ausführliche
und komplexe Vorschriften geregelt, daß sie als abschließend gelten
müssen.
So behalten die einschlägigen Normen der Gemeindeordnungen das
Antragsrecht in der Regel den Gemeindevertretern vor96. Diese Vorschriften enthalten weitere Voraussetzungen (in der
Regel Quoren) für seine Ausübung, die nur dann sinnvoll sind,
wenn ihnen der Charakter eines Ausschlußrechtes zukommt: ohne
ihr Vorliegen kann die Behandlung eines Themas durch Gemeindevertreter
nicht erzwungen werden97. Daneben besitzt die Verwaltungsspitze das Antragsrecht, entweder
durch ausdrückliche Regelung98 oder aufgrund ihrer Stellung zur Gemeindevertretung99. Ergänzend zu diesem Verfahren kennen einige Gemeindeordnungen
die Möglichkeit der Bürger, ein Thema auf die Tagesordnung der
Gemeindevertretung setzen zu lassen100. Auch den Ortsbezirken etc. wird teilweise ein Antragsrecht eingeräumt101.
Unproblematisch ist es jedoch, Vereinigungen oder Gremien mit
Vereinigungsbeteiligung die Möglichkeit zu eröffnen, Anregungen
in die Gemeindevertretung einzubringen102. Damit ist gemeint, daß die Gemeindevertretung dann im Einzelfall
nach Gutdünken entscheiden kann (etwa durch widerspruchslose Aufnahme
in die Tagesordnung, quasi als übernahme der externen Anregung
durch einen nach den Gemeindeordnungen Antragsberechtigten), ob
sie die Anregung für ihre Beratung und Beschlußfassung aufgreift.
Damit werden die Vorschriften der Gemeindeordnungen gerade eingehalten.
Auch eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Gemeindevertretung
durch überschwemmung mit externen Vorlagen besteht nicht, weil
es an einer Behandlungspflicht fehlt; schließlich kann das Anregungsrecht
jederzeit widerrufen werden.
3.2.2 Beratung der Exekutivspitze
Zur pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung gehört eine umfassende und sorgfältige Entscheidungsvorbereitung. Daher kann ihr nicht verwehrt werden, sich vor ihrem Tätigwerden Rat zu holen, wo immer sie ihn zu finden glaubt103, ja mehr noch, sie ist dazu verpflichtet104. Dabei obliegt es dem Gemeindevorstand, den Verwaltungsablauf zu organisieren105. In diesem Rahmen kann er für institutionalisierte Informationsbeschaffungs-Mechanismen Sorge tragen106. Die Gemeindeordnungen enthalten zu diesem Bereich keine Vorschriften, welche die Verfahrensbeteiligung von Vereinigungen ausschließen. Allerdings können evtl. in Spezialgesetzen enthaltene Verfahrensvorschriften solche Bereiche abschließend und damit für die kommunale Entscheidung sperrend regeln107. Es sind Verfahrens-Regelungen denkbar, nach denen in bestimmten Sachgebieten die Projekte und Planungen den Vereinigungen vorzustellen sind, um Stellungnahmen von ihnen zu erhalten (etwa ähnlich der Verfahrensbeteiligung in § 29 Abs. 1 BNatSchG).
3.3 Zulässigkeit beratender Gremien
Häufig sind in den Kommunen beratende Gremien eingerichtet108 die als Kommissionen, Beiräte etc. bezeichnet werden. In den Gemeindeordnungen sind solche Gremien nicht vorgesehen (Ausnahme: Hessen109 und Sachsen110). Daran scheitert ihre Zulässigkeit nicht111, sofern die innergemeindlichen Kompetenzzuordnungen beachtet werden: die Gemeindevertretung kann die Einrichtung von Gremien im Bereich der dem Gemeindevorstand zugewiesenen (Verwaltungs-) Aufgaben nicht vorschreiben112, ebensowenig wie umgekehrt der Gemeindevorstand im Zuständigkeitsbereich der Gemeindevertretung solche Gremien schaffen darf113. Solche Gremien dürfen also nicht in die laufende Geschäftserledigung bzw. Ausführung der Beschlüsse der Gemeindevertretung eingeschaltet werden114. Zu beachten ist dabei weiter, daß ihnen - wie oben dargelegt - keine Aufgaben zur Entscheidung anvertraut werden dürfen115.
3.3.1 Beratung der Gemeindevertretung
Die Bestimmungen der Gemeindeordnungen, incl. derjenigen über die Ausschüsse, schließen die Organisationshoheit für den Bereich der Beratung der Gemeindevertretung nicht aus. Der Gegenansicht ist zuzugeben, daß die Gemeinden nur durch die in den Gemeindeordnungen vorgesehenen gewählten Organe tätig werden dürfen116. Will die Gemeinde dem Bürger gegenüber auftreten, muß sie sich dazu ihrer Organe bedienen. Die hier untersuchten Gremien werden nicht für die Gemeinde tätig, sondern haben die Aufgabe, das Tätigwerden der Gemeindeorgane vorzubereiten117. über die organisatorischen Formen, in denen sich diese Organe die entscheidungsvorbereitenden Informationen verschaffen, haben die Gemeindeordnungen keine abschließenden Regelungen getroffen118. Im Gegenteil geht der Gesetzgeber in einigen Bundesländern von deren Zulässigkeit aus. So erwähnt die Begründung zu einer änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung die Praxis der Bildung derartiger Gremien ebenso zustimmend wie Erlasse und Stellungnahmen einiger Landesregierungen zur Ausländerbeteiligung119.
3.3.2 Beratung des Gemeindevorstandes
Die Verwaltung, also auch der Gemeindevorstand, kann zu ihrer Beratung Gremien schaffen, die nicht in der Gemeindeordnung vorgesehen sind120. Damit kann eine umfassende und sorgfältige Entscheidungsvorbereitung als Voraussetzung der pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung sichergestellt werden121. Aus der Stellung als Leitungsorgan der Verwaltung kommt dem Gemeindevorstand die Befugnis zu, beratende Gremien zu bilden122.
3.3.3 Beratung von Gemeindevertretung und Gemeindevorstand
Gremien können aber auch zur Beratung von Gemeindevertretung und
Gemeindevorstand gebildet werden123. Soweit die Beratung auch solche Aufgaben erfassen soll, die
der Erledigung durch den Gemeindevorstand vorbehalten sind, kann
die Bildung des Gremiums und die Bestimmung seiner Aufgaben nur
einvernehmlich erfolgen.
Dies gilt etwa für die Beteiligung von Ausländern an der Kommunalpolitik,
sofern sie nicht in der Form eines Ausschusses der Gemeindevertretung
organisiert ist124.
Die Gemeinden können sich wegen ihrer durch Art. 28 Abs. 2 GG geschützten
Organisationshoheit beraten lassen. Hierzu zählt die Anhörung
in der Gemeindevertretung sowie die Schaffung beratender Gremien
bei Gemeindevertretung und Gemeindeverwaltung, denen auch ein
Anregungsrecht gegenüber der Gemeindevertretung eingeräumt werden
kann, das freilich keinen die Gemeindevertretung verpflichtenden
Charakter aufweisen darf.
Unzulässig ist es hingegen, Private in einer Weise zu beteiligen,
die in den Entscheidungsablauf der Kommunalorgane eingreift oder
gegen die Kompetenzordnung innerhalb der Gemeinde verstößt.