Vorbemerkung
Angesichts der viel diskutierten "Politikverdrossenheit" werden Möglichkeiten erwogen, die Beteiligung der Einwohner an der Kommunalpolitik zu verstärken. Dazu eignet sich die Ausweitung von Beratungsmöglichkeiten wie Anhörung (Hearing) oder Bildung beratender Gremien. Obwohl nur wenige Gemeindeordnungen hierzu Regelungen enthalten, existiert eine große Zahl solcher Beiräte (etwa Ausländervertretungen). Da eine Klärung der mit diesen Beteiligungsformen aufgeworfenen Fragen durch Rechtsprechung wie Literatur bislang noch aussteht, stellt sich in der Praxis immer wieder die Frage nach ihren Zulässigkeitsvoraussetzungen.
Inhalt
I. Einleitung
II. Kommunale Aufgaben- und Organisationshoheit
III. Organisationshoheit als Eigengestaltungsbefugnis
IV. "im Rahmen der Gesetze"
1. Unzulässigkeit der Beteiligung Privater am Treffen von Entscheidungen
a) Beratung der Gemeindevertretung
b) Beratung der Exekutivspitze
3. Zulässigkeit beratender Gremien
a) Beratung der Gemeindevertretung
b) Beratung des Gemeindevorstandes
c) Beratung von Gemeindevertretung und Gemeindevorstand
V. Zusammenfassung
Fußnoten
Vielfach ist zu beobachten, daß in den Kommunen Formen der Beratung,
vor allem durch Bildung von Gremien, installiert werden, die in
den Gemeindeordnungen nicht vorgesehen sind. Damit wird ein Meinungsaustausch
zwischen Vertretern der Kommune (Gemeindevertretern oder Verwaltungsangehörigen)
und Privaten institutionalisiert. Bei den Privaten handelt es
sich meistens um Vertreter der betroffenen Bevölkerungskreise,
also der Vereine, Verbände, etc. (im folgenden kurz: Vereinigungen).
Welche rechtlichen Grenzen dabei zu beachten sind, wird im folgenden
dargestellt.
Die Einführung von Beteiligungsregelungen im kommunalen Bereich
stellt sich als eine Frage der Organisation der Willensbildung
in der Gemeinde mit zwei Zielrichtungen dar: der Beteiligung im
Bereich der Gemeindeverwaltung sowie der Gemeindevertretung. Damit
wird die Frage nach dem Umfang der Berechtigung der Kommunen zur
Regelung ihrer Organisation, also der Reichweite der kommunalen
Organisationshoheit, aufgeworfen.
Weitgehend akzeptiert ist dabei die Feststellung, daß die durch
Art. 28 II GG und die entsprechenden Vorschriften der Landesverfassungen1 geschützte Selbstverwaltungsgarantie der Gemeinden ihre Befugnis
zur Selbstorganisation (sog. Organisationshoheit) mit umfaßt2.
Zur Bestimmung der Bedeutung dieser Aussage ist auf die Vorschrift
des Art. 28 II GG näher einzugehen.
II. Kommunale Aufgaben- und Organisationshoheit
Der sachliche Anwendungsbereich der Organisationshoheit kann nicht weiter reichen als derjenige der Selbstverwaltungsgarantie, aus welcher sie abgeleitet ist: der Schutzbereich des Art. 28 II 1 GG erstreckt sich auf alle Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Die Organisationshoheit erfaßt über die Selbstverwaltungsangelegenheiten (freiwillige wie pflichtige) hinaus auch die Organisation der Erledigung staatlicher Auftragsangelegenheiten3, sofern keine Weisungen erteilt wurden4. Denn die Zuweisung von Auftragsangelegenheiten stellt einen beträchtlichen Eingriff in die Organisation und den Entscheidungsablauf der Kommunalverwaltung dar5.
III. Organisationshoheit als Eigengestaltungsbefugnis
Aus den Worten "in eigener Verantwortung" in Art. 28 II 1 GG, der
sog. Eigenverantwortlichkeit, ergibt sich die gemeindliche Eigengestaltungsfreiheit
in organisatorischer Hinsicht6, weil eine eigenverantwortliche Aufgabenerledigung im Sinne der
Selbstverwaltung ohne Organisationshoheit nicht möglich ist. Die
Betätigung der Organisationskompetenzen ermöglicht erst die Erfüllung
anderer Verwaltungsaufgaben7, indem sie die verwaltungsmäßigen Voraussetzungen für die ordnungsgemäße
Wahrnehmung der den Gemeinden obliegenden Aufgaben schafft8.
Unter Organisationshoheit muß ganz allgemein die Verwirklichung
des Gemeinde-Willens mit gemeindeeigenen Mitteln verstanden werden9. Hierzu zählt die eigenverantwortliche Gestaltung der inneren
Organisation der Gemeinde10. Diese innere Verwaltungsorganisation umfaßt die Befugnis, die
Aufbau- und Ablauforganisation der Kommunalverwaltung generell
zu gestalten und konkrete Organisationsmaßnahmen zu treffen11. Aber auch alle diejenigen Maßnahmen, die nicht nur der zweckmäßigen
Ordnung der Verwaltung, sondern auch dem sicheren und effizienten
Ablauf ihrer Tätigkeit dienen, fallen unter die Organisationshoheit12.
Zur kommunalen Organisationshoheit werden beispielsweise gezählt:
die Einrichtung von Dienststellen, Abteilungen und Außenstellen13,
die Bildung von Organen und die Zuweisung von Kompetenzen an Organe14,
die Errichtung von Ausschüssen15 und ihre Zusammensetzung16,
das Recht zur eigenverantwortlichen Gestaltung des Gemeindeverwaltungsaufbaus
sowie des Geschäftsablaufs17,
die Bestimmung der zur Bearbeitung von Auftragsangelegenheiten
zuständigen Abteilung18,
die Regelung von Beteiligungsrechten politisch oder fachlich besetzter
Gremien19,
die Einsetzung von Gleichstellungsbeauftragten20.
Nach all dem fällt auch die Installierung neuer Formen der Beteiligung
von Privaten sowohl im Bereich der Verwaltung wie auch der Gemeindevertretung
in den Schutzbereich der gemeindlichen Organisationshoheit21.
Die Organisationshoheit als Teil der Selbstverwaltungsgarantie
ist durch die Worte "im Rahmen der Gesetze" in Art. 28 II GG unter
einen allgemeinen Gesetzesvorbehalt gestellt22.
Dem Landesgesetzgeber steht die Befugnis zur Regelung des Kommunalrechts
zu. Zwar ist diese Regelungsbefugnis nicht unbeschränkt gegeben,
doch verletzen nach übereinstimmender Meinung die Gemeindeordnungen
die Selbstverwaltungsgarantie nicht23. Damit stehen sich die verfassungsrechtlich geschützte kommunale
Organisationshoheit und die Kompetenz der Länder zur Regelung
von Verfassung und Organisation kommunaler Einrichtungen gegenüber24.
Das bedeutet für den Umfang der den Gemeinden verfassungsrechtlich
garantierten Organisationshoheit, daß die Organisation der Gemeinden
zwar grundsätzlich der kommunalen Gestaltungsfreiheit unterliegt,
den Gemeinden jedoch die Befugnis zur Gestaltung ihrer Eigenverwaltung
genommen ist, soweit der Regelungsgehalt der Gemeindeordnungen
den Organisationsgegenstand abdeckt (etwa den Bereich der äußeren
Organisation). Deshalb ist zu untersuchen, wieweit die Organisationshoheit
der Gemeinden durch die Gemeindeordnungen beschränkt wird, in
welchem Umfang also die Gemeindeordnungen den hier interessierenden
Organisationsbereich abschließend und damit für kommunale Regelungen
sperrend regeln25.
Weil die Kompetenz der Gemeinde zur Ausfüllung von Freiräumen
in den Gemeindeordnungen aus der Selbstverwaltungsgarantie erwächst26, sind die gesetzlichen Einschränkungen der kommunalen Organisationshoheit
eng auszulegen. Im Zweifel ist anzunehmen, daß Regelungslücken
in den Gemeindeordnungen keine abschließende (Nicht-) Regelung
einer Materie bedeuten. Es müssen sich zusätzliche Anhaltspunkte
dafür ergeben, daß der Gesetzgeber auf Vorschriften verzichtete,
um eine bestimmte Materie auch gegenüber kommunalen Organisationsentscheidungen
zu sperren.
Der Gesetzgeber hat den Bereich der inneren Aufbau und Ablauforganisation
zur inhaltlichen Ausfüllung offen gehalten; hier liegt der Schwerpunkt
der Organisationshoheit27. Dazu zählt die Gliederung des Verwaltungsaufbaus, die Bildung
freiwilliger Ausschüsse, die Kompetenzverteilung innerhalb der
Verwaltung28, aber auch die Regelung von Beteiligungsrechten politisch oder
fachlich besetzter Gremien29.
1. Unzulässigkeit der Beteiligung Privater am Treffen von Entscheidungen
Wegen der insoweit abschließenden Festsetzungen der Gemeindeordnungen
ist die Beteiligung von Privaten am Treffen von Entscheidungen
unzulässig. Diese Feststellung bezieht sich auf einen Begriff
der Entscheidung, deren Wirkung nicht im Innenbereich verbleibt.
Damit sind nicht nur solche Entscheidungen gemeint, die Außenwirkung
i.S. §ÿ35 VwVfG entfalten, sondern auch solche, die auf die Tätigkeit
von Gemeindevertretung und Verwaltung einwirken (wie die Aufstellung
von Richtlinien etc., nach denen die Verwaltung ihre Aufgaben
zu erfüllen hat oder Mitwirkungsrechte)30.
Denn die Gemeindeordnungen aller Länder weisen die Zuständigkeiten
für das Treffen von Entscheidungen innerhalb einer Gemeinde in
komplexen Vorschriften den Gemeindeorganen jeweils mit ausschließlicher
Wirkung zu31. So hat etwa das Verwaltungsgericht Schleswig32 für die Gemeindeordnung
SchleswigHolstein festgestellt, daß keine Dritten an einer vom
zuständigen Organ gefällten Entscheidung mitwirken dürfen. Nur
wenige Bundesländer lassen ausnahmsweise die direkte Entscheidung
der Bürger an Stelle der Gemeindeorgane durch Bürgerentscheid
und Bürgerbegehren zu (vgl. etwa § 21 BadWürtt. GO, § 16 g SchlH
GO, § 8 b hess. GO). Abgesehen hiervon ist eine direkte Bürgerbeteiligung
an der Entscheidung selbst nicht vorgesehen. Der gesamte Entscheidungsprozeß
ist damit gemeindlicher Partizipationserfindungskompetenz entzogen33. Soweit jedoch nicht die Beeinträchtigung von Entscheidungszuständigkeiten
zu befürchten ist, verbleibt den Gemeinden ein Spielraum für die
Einrichtung von Beteiligungsformen. Daher muß von der geschützten
Phase der Entscheidung ("Willensbildung" des Organs) der Bereich
der Entscheidungsvorbereitung ("Meinungsbildung" des Mitglieds)
abgegrenzt werden.
Der Bereich der Entscheidungen, der den Gemeindevertretern vorbehalten
ist, umfaßt nicht nur den Abstimmungsvorgang, sondern auch die
der Beschlußfassung unmittelbar vorgelagerte Beratung im Plenum
und den Ausschüssen34. Eine Teilnahme hieran ist allein den Mitgliedern vorbehalten,
sofern die Gemeindeordnungen nichts anderes regeln. Die Mitgliedschaftsrechte
in Ausschüssen und Plenum der Gemeindevertretung (Erwerb, Rederecht,
Teilnahme an der Beschlußfassung etc.) hat der Gesetzgeber derart
ausführlich geregelt, daß von ihrem abschließenden Charakter ausgegangen
werden muß35. Die Gemeindevertretung kann daher keinen anderen Personen eine
mitgliedschaftliche Stellung einräumen als von der jeweiligen
Gemeindeordnung vorgesehen (Private im Gegensatz zu Gemeindevertretern
und z.T. noch sog. sachkundigen Bürgern/Einwohner). Solche Privaten
können daher weder in den Ausschüssen noch in der Gemeindevertretung
Stimm oder Rederechte erhalten36. Auch die dem Gemeindevorstand zugewiesenen Entscheidungszuständigkeiten
können nicht Privaten überlassen werden. Denn die Zuständigkeitszuweisung
dient auch dem Ausschluß anderer als der Zuständigen von der Entscheidung37. Hiernach muß die Verantwortung für die getroffene Entscheidung
beim Gemeindevorstand liegen; allen anderen sind rechtliche Einflußmöglichkeiten
auf jene Entscheidungen verwehrt.
Nicht zur Entscheidungsphase in diesem Sinn, sondern zur Vorbereitung
der Entscheidung gehört die Verschaffung der für die Sachentscheidung
unentbehrlichen Informationen38. Die Gemeinden sind durch die Festsetzungen der Gemeindeordnungen
nicht daran gehindert, eigenständige Verfahrensweisen zur Informationsbeschaffung
zu entwickeln39, sofern die innergemeindlichen Kompetenzzuordnungen beachtet
werden: die Gemeindevertretung kann das Verwaltungsverfahren im
Bereich der dem Gemeindevorstand zugewiesenen (Verwaltungs) Aufgaben
nicht vorschreiben40, ebensowenig wie umgekehrt der Gemeindevorstand im Zuständigkeitsbereich
der Gemeindevertretung solche Verfahren schaffen darf.
Zur Einführung von Beratungsmechanismen ist die Gemeinde aufgrund
ihrer verfassungsrechtlich geschützten Organisationshoheit auch
ohne spezielle gesetzliche Ermächtigungsgrundlage befugt. Aus
der durch Art. 20 III GG statuierten Bindung der Verwaltung an
Recht und Gesetz kann kein Verbot jeglicher nicht ausdrücklich
durch Gesetz zugelassener Verwaltungstätigkeit gefolgert werden.
Für einen derartigen Totalvorbehalt des Gesetzes gibt die Formulierung
des Art. 20 III GG keinen Anlaß41. Wenn auch vieles dafür spricht, nicht nur für Eingriffe der
Verwaltung in die Rechtssphäre des Bürgers, sondern auch für die
Gewährung von Leistungen an ihn eine gesetzliche Grundlage zu
fordern42, muß der Verwaltung ihre innere Organisation und damit die Methode
der Informationsbeschaffung zur Erledigung ihrer Aufgaben grundsätzlich
freigestellt bleiben. Eine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage
wird mit dem Bundesverfassungsgericht nur dort als erforderlich
anzusehen sein, wo Organisationsentscheidungen überhaupt Wirkungen
für den grundrechtlich geschützten Bereich Dritter entfalten können43 oder Grundstrukturen der institutionellen Ordnung (institutioneller
Gesetzesvorbehalt) berühren44. Die Schaffung beratender Kollegialorgane und die Heranziehung
von privaten Mitgliedern ist hingegen den bloßen "Methoden des
Verwaltens" und damit der freien Sphäre der administrativen Tätigkeit
zuzuordnen45. Erst wenn der Private zur Teilnahme verpflichtet werden soll,
bedarf es einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage hierfür.
Weil diese Beratung nur im Bereich der Entscheidungsvorbereitung
stattfindet, müssen die Berater nicht demokratisch legitimiert
sein. Art. 20 II GG bezweckt die Bindung des gesamten staatlichen
Handelns an den Willen des Volkes. Unter Ausübung staatlicher
Gewalt
Im Sinne dieser Vorschrift ist indes nur die staatliche Entscheidung
zu verstehen46. Denn die demokratisch legitimierten Organe der Kommune unterwerfen
sich der Beratung nicht, sondern entscheiden selbst; sie unterliegen
keinerlei rechtlicher Bindung ihrer Entscheidung und üben daher
allein die staatliche Gewalt aus.
a) Beratung der Gemeindevertretung
Als formelle Quelle für Informationen sehen die Gemeindeordnungen
den Gemeindevorstand vor47. Weitere Informationen über die örtliche Situation und die Auffassung
der Gemeindeeinwohner bringen die Parteien über ihre Kontakte
mit der Bevölkerung ein. Daneben kann zur Vorbereitung besonders
bedeutsamer Entscheidungen eine zusätzliche Beratung durch externen
Sachverstand erforderlich werden.
Als eine bedeutsame Form der Beratung der Gemeindevertretung ist
die Anhörung hervorzuheben. Damit ist hier eine Form der Informationsbeschaffung
gemeint, die im Parlamentsrecht unter dem Begriff des Hearings
bekannt ist. Gemäß § 70 GOBT kann ein Ausschub in einer sog. öffentlichen
Anhörungssitzung Sachverständige, Interessenvertreter und andere
Auskunftspersonen zu einem Gegenstand seiner Beratung vernehmen,
eine allgemeine Aussprache mit den Auskunftspersonen ist möglich48. In den Gemeindeordnungen der Mehrzahl der Bundesländer sind
vergleichbare Regelungen getroffen49. Aber auch ohne derartige Vorschriften sind solche Anhörungen
aus der Organisationshoheit der Gemeinden heraus zulässig50. Diese Form der Informationsbeschaffung war in anderen Bundesländern
zulässige Praxis, bevor die Gemeindeordnungen sie legalisierten51. Sie findet ihre Begründung darin, daß die Eröffnung einer Informationsquelle,
die nicht von den Interessen der Verwaltung dominiert wird, die
Stellung der Gemeindevertretung gegenüber der Verwaltung stärkt52. Außerdem kann eine Anhörung in der Gemeinde sonst nicht vorhandenen
Sachverstand in die kommunale Diskussion einführen. Der Informationsstand
der Gemeindevertreter wird durch eine Anhörung verbessert auch
über die Einstellung der (betroffenen) Bevölkerung53, was besonders durch die Teilnahme von Vertretern der betroffenen
Bevölkerungskreise (Vereinigungen) erreicht wird. Deswegen kann
eine Anhörung, zu der nur Einzelpersonen zugelassen werden, die
zumindest eine Beeinträchtigung eigener Interessen von Erheblichkeit
geltend machen können54, ihre Funktionen nur zum Teil erfüllen. Wird sie unter Beteiligung
aller interessierten Einzelpersonen und Gruppen durchgeführt,
kann sie dazu beitragen, dab alle Beteiligten, Politiker wie Einwohner,
die Probleme einer spezifischen Sachentscheidung in ihrer vollen
Breite erkennen55; Diskussionen und Sachentscheidungen können dadurch versachlicht
werden. Darüberhinaus will die Anhörung dem Interesse des Bürgers
an der Kommunalpolitik gerecht werden, indem sie einen Teil des
parlamentarischen Entscheidungsprozesses transparenter macht56. Daher muß ein Ausschluß der Vereine und Verbände (Vereinigungen)
von den Hearings abgelehnt werden. Schließlich werden Einzelpersonen
und Vereinigungen, welche eine starke Position in der Kommune
haben, auch ohne Anhörung, also informell, in die Entscheidungsvorbereitung
eingebunden, ohne dabei allerdings ihre Argumente der öffentlichkeit
vorstellen zu müssen57. Dadurch würde also gerade der demokratisch nicht kontrollierte
Einfluß der sozial mächtigen Personen und Gruppen in der Gemeinde
gestärkt. Dem kann nur durch eine öffnung der Anhörung für alle
interessierten Bürger und Vereinigungen begegnet werden. Beschränkungen
des Kreises der anzuhörenden Personen, die dem Verwaltungsverfahrensrecht
entstammen58, vermögen dem politischen Charakter der Gemeindevertretung nicht
gerecht zu werden. Ob die anzuhörenden Personen über Sachkunde
verfügen, hat die anhörende Stelle zu entscheiden; sie kann sich
die ihrer Meinung nach vielversprechendsten Informanten aussuchen.
Wäre die Anhörung von Personen, die lediglich von einer Maßnahme
betroffen sind und darüberhinaus nicht über eine besondere Sachkunde
verfügen, rechtlich unzulässig, könnte der Gemeindevorstand über
sein Beanstandungsrecht Einfluß auch auf diese Form der Informationsbeschaffung
der Gemeindevertretung ausüben.
Soweit die Angehörten dabei ihre Auffassungen und Meinungen durch
Statements oder Fragen darlegen, ohne mit den Gemeindevertretern
in eine Diskussion hierüber einzutreten, wird die Entscheidungsphase
nicht berührt. Etwas anderes gilt, wenn eine Erörterung mit den
Interessenvertretern vorgesehen ist (wie in § 35 II RhPf. GO),
die der Beschlußfassung der Gemeindevertretung unmittelbar vorgelagert
ist etwa in der gleichen Sitzung stattfindet. Derartige Eingriffe
in die Entscheidungsphase sind den Gemeinden verwehrt59. Daher ist es unzulässig, wenn die Gemeindevertretung die Auffassungen
eines angehörten Gremiums nur mit einem Quorum, etwa von zwei
Dritteln ihrer anwesenden Mitglieder, zurückweisen darf60.
Soweit Bürgerfragestunden sich in der Beantwortung von Fragen
erschöpfen und nicht in eine Diskussion zwischen Bürgern und Gemeindevertretern
münden, bedarf es zu ihrer Einrichtung in der Kommune keiner gesetzlichen
Regelung61.
Aus der Anordnung der Nichtöffentlichkeit der Sitzung62 kann kein Verbot der Anhörung oder Bürgerfragestunden hergeleitet
werden. Denn hiervon können Ausnahmen beschlossen werden63; zumal die Anhörung auch in der Weise durchgeführt werden kann,
dab einzelne Personen nur zu dem betreffenden Tagesordnungspunkt
eingeladen werden, was keine Aufhebung der Nichtöffentlichkeit
bedeutet schließlich findet die Beratung sowie die Beschlußfassung
unter Ausschluß der angehörten Personen statt.
Die Gemeinden haben bei der konkreten Ausgestaltung solcher Informationsformen
dafür Sorge zu tragen, daß das gewählte Verfahren nicht die Entscheidungsphase
beeinträchtigt64.
Im Gegensatz dazu ist es unzulässig, Vereinigungen als Zusammenschlüssen
von Privaten (oder selbstgebildeten Gremien mit Beteiligung von
Privaten) das Recht einzuräumen, die Behandlung eines spezifischen
Verhandlungsgegenstandes in der Gemeindevertretung zu erzwingen
(sog. Antragsrecht)65. Denn dies wird in allen Gemeindeordnungen durch derart ausführliche
und komplexe Vorschriften geregelt, daß sie als abschließend gelten
müssen.
So behalten die einschlägigen Normen der Gemeindeordnungen das
Antragsrecht in der Regel den Gemeindevertretern vor. Diese Vorschriften
enthalten weitere Voraussetzungen (in der Regel Quoren) für seine
Ausübung, die nur dann sinnvoll sind, wenn ihnen der Charakter
eines Ausschlußrechtes zukommt: ohne ihr Vorliegen kann die Behandlung
eines Themas durch Gemeindevertreter nicht erzwungen werden66. Daneben besitzt die Verwaltungsspitze das Antragsrecht, entweder
durch ausdrückliche Regelung67 oder aufgrund ihrer Stellung zur Gemeindevertretung68. Ergänzend zu diesem Verfahren kennen einige Gemeindeordnungen
die Möglichkeit der Bürger, ein Thema auf die Tagesordnung der
Gemeindevertretung setzen zu lassen69. Auch den Ortsbezirken etc. wird teilweise ein Antragsrecht eingeräumt70.
Unproblematisch ist es nur, Vereinigungen oder Gremien mit Vereinigungsbeteiligung
die Möglichkeit zu eröffnen, Anregungen in die Gemeindevertretung
einzubringen71. Damit ist gemeint, daß die Gemeindevertretung dann im Einzelfall
nach Gutdünken entscheiden kann (etwa durch widerspruchslose Aufnahme
in die Tagesordnung, quasi als übernahme der externen Anregung
durch einen nach den Gemeindeordnungen Antragsberechtigten), ob
sie die Anregung für ihre Beratung und Beschlußfassung aufgreift.
Damit werden die Vorschriften der Gemeindeordnungen gerade eingehalten.
Auch eine Gefährdung der Funktionsfähigkeit der Gemeindevertretung
durch überschwemmung mit externen Vorlagen besteht nicht, weil
es an einer Behandlungspflicht fehlt; schließlich kann das Anregungsrecht
jederzeit widerrufen werden.
b) Beratung der Exekutivspitze
Zur pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung gehört eine umfassende und sorgfältige Entscheidungsvorbereitung. Daher kann ihr nicht verwehrt werden, sich vor ihrem Tätigwerden Rat zu holen, wo immer sie ihn zu finden glaubt72, ja mehr noch, sie ist dazu verpflichtet73. Dabei obliegt es dem Gemeindevorstand, den Verwaltungsablauf zu organisieren. In diesem Rahmen kann er für institutionalisierte InformationsbeschaffungsMechanismen Sorge tragen74. Die Gemeindeordnungen enthalten zu diesem Bereich keine Vorschriften, welche die Verfahrensbeteiligung von Vereinigungen ausschließen. Allerdings können evtl. in Spezialgesetzen enthaltene Verfahrensvorschriften (Beispiel: Jugendhilfeausschuß) solche Bereiche abschließend und damit für die kommunale Entscheidung sperrend regeln. Es sind VerfahrensRegelungen denkbar, nach denen in bestimmten Sachgebieten die Projekte und Planungen den Vereinigungen vorzustellen sind, um Stellungnahmen von ihnen zu erhalten (etwa ähnlich der Verfahrensbeteiligung in § 29 I BNatSchG).
3. Zulässigkeit beratender Gremien
Häufig sind in den Kommunen beratende Gremien eingerichtet, die
als Kommissionen, Beiräte etc. bezeichnet werden. Zu ihrer Einrichtung
bedarf es keiner besonderen Ermächtigungsvorschrift75. Allerdings müssen die innergemeindlichen Kompetenzzuordnungen
beachtet werden: die Gemeindevertretung kann die Einrichtung von
Gremien im Bereich der dem Gemeindevorstand zugewiesenen (Verwaltungs)
Aufgaben nicht vorschreiben, ebensowenig wie umgekehrt der Gemeindevorstand
im Zuständigkeitsbereich der Gemeindevertretung solche Gremien
schaffen darf76. Solche Gremien dürfen also nicht in die laufende Geschäftserledigung
bzw. Ausführung der Beschlüsse der Gemeindevertretung eingeschaltet
werden. Zu beachten ist dabei weiter, daß ihnen wie oben dargelegt
keine Aufgaben zur Entscheidung anvertraut werden dürfen77.
In Hessen und Sachsen ist die Einrichtung solcher Gremien in der
Gemeindeordnung vorgesehen78. Unter den Voraussetzungen des § 72 HessGO können die Kommissionen
in Hessen nicht nur beratende, sondern auch Entscheidungsbefugnisse
wahrnehmen. Die gesetzlichen Voraussetzungen müssen nur bei der
Bildung entscheidungsbefugter, nicht aber beratender Gremien erfüllt
werden. Die Bedeutung der hessischen Vorschrift liegt darin, daß
sie die übertragung von Entscheidungszuständigkeiten des Gemeindevorstandes
auf Gremien in Abweichung von der Zuständigkeitsverteilung der
HessGO erlaubt nicht in der Ermöglichung beratender Gremien.
a) Beratung der Gemeindevertretung
Die Bestimmungen der Gemeindeordnungen, incl. derjenigen über die Ausschüsse, schließen die Organisationshoheit für den Bereich der Beratung der Gemeindevertretung nicht aus. Der Gegenansicht ist zuzugeben, daß die Gemeinden nur durch die in den Gemeindeordnungen vorgesehenen gewählten Organe tätig werden dürfen79. Will die Gemeinde dem Bürger gegenüber auftreten, muß sie sich dazu ihrer Organe bedienen. Die hier untersuchten Gremien werden nicht für die Gemeinde tätig, sondern haben die Aufgabe, das Tätigwerden der Gemeindeorgane vorzubereiten80. über die organisatorischen Formen, in denen sich diese Organe die entscheidungsvorbereitenden Informationen verschaffen, haben die Gemeindeordnungen keine abschließenden Regelungen getroffen81. Im Gegenteil geht der Gesetzgeber in einigen Bundesländern von deren Zulässigkeit aus. So erwähnt die Begründung zu einer änderung der Niedersächsischen Gemeindeordnung die Praxis der Bildung derartiger Gremien ebenso zustimmend wie Erlasse und Stellungnahmen einiger Landesregierungen zur Ausländerbeteiligung82.
b) Beratung des Gemeindevorstandes
Die Verwaltung, also auch der Gemeindevorstand, kann zu ihrer Beratung Gremien schaffen, die nicht in der Gemeindeordnung vorgesehen sind83. Damit kann eine umfassende und sorgfältige Entscheidungsvorbereitung als Voraussetzung der pflichtgemäßen Aufgabenerfüllung der Verwaltung sichergestellt werden. Aus der Stellung als Leitungsorgan der Verwaltung kommt dem Gemeindevorstand die Befugnis zu, beratende Gremien zu bilden.
c) Beratung von Gemeindevertretung und Gemeindevorstand
Gremien können aber auch zur Beratung von Gemeindevertretung und
Gemeindevorstand gebildet werden84. Soweit die Beratung auch solche Aufgaben erfassen soll, die
der Erledigung durch den Gemeindevorstand vorbehalten sind, kann
die Bildung des Gremiums und die Bestimmung seiner Aufgaben nur
einvernehmlich erfolgen.
Dies gilt etwa für die Beteiligung von Ausländern an der Kommunalpolitik,
sofern sie nicht in der Form eines Ausschusses der Gemeindevertretung
organisiert ist85.
Die Gemeinden können sich wegen ihrer durch Art. 28 II GG geschützten
Organisationshoheit beraten lassen. Hierzu zählt die Anhörung
in der Gemeindevertretung sowie die Schaffung beratender Gremien
bei Gemeindevertretung und Gemeindeverwaltung, denen auch ein
Anregungsrecht gegenüber der Gemeindevertretung eingeräumt werden
kann, das freilich keinen die Gemeindevertretung verpflichtenden
Charakter aufweisen darf.
Unzulässig ist es hingegen, Private in einer Weise zu beteiligen,
die in den Entscheidungsablauf der Kommunalorgane eingreift oder
gegen die Kompetenzordnung innerhalb der Gemeinde verstößt.