Dienelt, Klaus / Molitor, Wolfram: Ausländerrecht für die anwaltliche Praxis. Luchterhand, Neuwied, 2 Ordner, ca. 1400 S., Stand: Mai 2001, DM 128,-
Mit diesem Werk ist ein weiteres Buch zum Ausländerrecht auf den
Markt gebracht worden. Neu ist die Konzeption, die in einer Konzentration
auf die Behandlung typischer Problemschwerpunkte, wie Einreisebestimmungen,
Folgen unerlaubter Einreise, Ehegattennachzug, Ausweisung, Abschiebungs-
und Auslieferungshaft, Duldung besteht. Die Schwerpunktbildung
orientiert sich an den Bedürfnissen der anwaltlichen Praxis, da
sie dem Nutzer die Möglichkeit eröffnet, sich kurzfristig in eine
bestimmte ausländerrechtliche Problematik einzuarbeiten, wobei
er nicht nur Einsicht in die Strukturen erhält, sondern auch die
zum Teil schwierig zu erkennenden Bezüge der einzelnen Rechtsnormen
untereinander aufgezeigt werden. Dabei wird der Anwalt zudem verfahrensrechtlich
unterstützt, indem ihm Formulierungsvorschläge für Anträge, aber
auch Praxistipps hinsichtlich des Vorgehens und der Argumentation
gegeben werden. Nützlich sind zudem die umfangreichen Rechtsprechungszitate
zu Kernfragen des Ausländerrechts. Gerade wegen der kurzen Fristen
ist es äußerst hilfreich, wenn zu einzelnen Fragestellungen die
Kernaussagen der Obergerichte, insbesondere des BVerwG, wörtlich
wiedergeben werden.
Die Konzentration auf Problemschwerpunkte hat gegenüber einem
Kommentar und einem Lehrbuch den entscheidenden Vorteil, dass
bei Übernahme eines Mandats die konkrete ausländerrechtliche Fragestellung
ohne großen Zeitaufwand umfassend erfasst werden kann. Denn im
Gegensalz zu traditionellen Kommentierungen des Ausländerrechts
muss sich der Leser nicht von Verweisungsnorm zu Verweisungsnorm
durch die komplizierte Struktur des Ausländerrechts "blättern",
um der Lösung einer konkreten Frage näher zu kommen. Vielmehr
wird er von typischen, häufigen Fragestellungen ausgehend auf
den Weg zu einer Lösung geleitet. Dabei wird der Anwalt durch
drucktechnisch hervorgehobene Hinweise auf in der Praxis bewährte
Vorgehensweisen aufmerksam gemacht. Die bei dieser Konzeption
zwangsläufige Folge, dass naturgemäß nicht alle ausländerrechtlichen
Fragestellungen vollständig abgehandelt werden können, wird durch
den Abdruck der AuslG-VwV weitgehend ausgeglichen.
Erfreulich ist auch, dass das Verhältnis zum Gemeinschaftsrecht
bei nahezu allen Kapiteln berücksichtigt wird und zudem die Rechtsfragen
von Gemeinschaftsangehörigen und türkischen Staatsangehörigen
in eigenen Kapiteln ausführlich dargelegt werden. Selbst aktuelle
Fragestellungen, die sich erst in jüngster Zeit durch die Rechtsprechung
des EuGH stellen - wie zum Beispiel die Standstill-Problematik -,
werden schon angesprochen. So setzt sich Ehrmanntraut in seinem Ausweisungskapitel (A.6. Rn. 73.2 f.) bereits kritisch
mit der Ansicht des BayVGH (EZAR 037 Nr.2 = InfAuslR 2000, 425)
auseinander, wonach die Ist- und Regelausweisungstatbestände des
§ 47 Abs. I und 2 AuslG auf türkische Staatsangehörige keine Anwendung
finden sollen. Im Hinblick auf die Standstill-Problematik wäre
aus Nutzersicht eine vertiefte systematische Aufbereitung und
Darstellung der anzuwendenden Standstill-Klauseln (Art. 7 ARB 2/76,
A11. 13 ARB 1/80 und Art 41 Abs. 1 ZusProt.) wünschenswert. Auch
die Konsequenzen, die sich für türkische Staatsangehörige aus
der Entscheidung des EuGH in der Rs. El-Yassini zu Art. 37 ZusProt ergeben (s. Rittstieg, InfAuslR 1999, 221), harren noch vertiefter Bearbeitung.
Dass das Werk als Loseblattausgabe angelegt wurde, erweist sich
auch wegen des notwendigen Aktualisierungsbedarfs als günstig.
So wird bei den Einreisebestimmungen noch erörtert, inwieweit
die VO/EG 2317/95 für die Einstufung als Positivstaater bedeutsam
ist (A.2. Rn. 15 f.); indes ist diese VO durch zuletzt die VO/EG 539/2001
abgelöst worden. Auch die Ausführungen zu den Folgen unerlaubter
Einreise sind überarbeitungsbedürftig. Die Rechtsprechung zur
unerlaubten Einreise eines Negativstaaters mit Besuchervisum wird
wiedergegeben (3. Rn. 13), ohne dass auf die gegenteilige Ansicht
in der AuslG VwV (Nr. 58.1.1.3.2) hingewiesen wird. In 4.3. wäre
auch ein Kapitel über die Altfallregelungen begrüßenswert. Weiterhin
sucht man einen Hinweis nach Rechtsschutzmöglichkeiten nach erfolgter
Abschiebung - mit Ausnahme des Problems der Erledigung (A.7. Rn. 20) -
vergebens.
Ungeachtet dessen lässt sich als Fazit festhalten: Das Werk ist
gerade für den auf das Ausländerrecht nicht spezialisierten Anwalt
sehr hilfreich. Dies gilt auch wegen des umfangreichen Anhangs,
der die gesetzlichen Grundlagen des Ausländerrechts inklusive
intemationaler Vorschriften umfassend enthält. Vor allem aber
der an der Struktur der anwaltlichen Tätigkeit orientierte Aufbau
des Werks erleichtert den schnellen Zugriff des Praktikers und
macht es zu einer echten Arbeitshilfe, die in keinem Handapparat
eines im Ausländerrecht tätigen Anwalts fehlen sollte.